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In Your Face Friday - Die Zukunft ist vorbei

karlstiefel 18.03.2016 27016 11
<div class="previewimage content"></div>Das Besiedeln anderer Planeten, Kontakt mit Aliens und Technologien, die wir heute noch nicht verstehen können - selbst die Zukunft war früher besser. Oder vielleicht doch einfach nur anders? Science Fiction hat sich immer wieder an den Zeitgeist angepasst, was ihr vielleicht zum Verhängnis geworden ist. Denn, was passiert, wenn die Realität unsere Vorstellungskraft einholt?

Eine bemannte Expedition machte sich auf den Weg zum Mond, lange vor dem Apollo-Programm. Die Crew bestand aus französischen Gelehrten, die 1902 eine Kanone umbauten, um eine Kapsel auf den Erdtrabanten zu schießen. Dort drohte die Mission fast zu scheitern, doch in letzter Sekunde konnte sich die Mannschaft retten. So spannend das auch klingt, so erfunden ist es: Der Regisseur Georges Méliès hat vor über einem Jahrhundert mit Le Voyage dans la Lune - zu Deutsch Die Reise zum Mond - den ersten Science Fiction-Film veröffentlicht. Grundlage dafür waren die Werke des Autors Jules Verne, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts fantastische Romane verfasst hat. Visionäre wie er oder Méliès waren die Urväter von dem, was wir als "Science Fiction" kennen lernen würden. Ein Genre, das sich vielleicht selbst überlebt hat.
Während der frühe Futurismus noch mehr mit Magie als mit Wissenschaft zu tun hatte, wurde in den 50er-Jahren ein Trend eingeleitet, dessen Wirkungen wir bis heute in der Popkultur spüren. Elemente, die aktuelle Relevanz hatten, wurden weitergedacht. Im Schatten des Zweiten Weltkriegs wurde der Welt auf grausame Art und Weise bewusst gemacht, was aktuell alles möglich ist. Flugzeuge, Zeppeline und Raketen eroberten den Himmel - und in der Fiktion bald auch andere Planeten. Natürlich waren die ersten Versuche in diese Richtung oft holprig aber sie waren dennoch stilprägend. Dabei setzte sich ein Gedanke durch: Technologie macht unser Leben besser. So wurden Visionen von helfenden Robotern, interplanetaren Reisen und abgedrehte Ästhetiken geschaffen. Jeder Aspekt davon verstärkte die zentrale Frage der Science Fiction: Was ist möglich?
Das wurde durch das "Space Age" der 60er angefeuert, wodurch Werke wie Stanley Kubrik's 2001: A Space Odyssey entstanden. Passend dazu drehte Kubrik auch fand 1969 die erste Mondlandung statt. Nach diesem Meilenstein wurden auch die dunkleren Aspekte der Zukunft erkundet. Dystopien wie George Lucas' THC 1138 fanden vermehrt Zuspruch, Franklin J. Schaffners Planet der Affen (von 1968) war hier seiner Zeit voraus. Während die Welt im kalten Krieg zitterte, wurden Zukunfts-Szenarien, bei denen die Gesellschaft sich selbst zerstört hat, immer feiner ausgearbeitet. An der totalen Katastrophe schlitterte man in den 80ern lieber vorbei: Mit dem Computer am Vormarsch wurde ein neues Element in die Welt der Zukunft eingeführt. Diese war dreckig, dunkel und voller Smog - und eben realistisch. Das hat mit Klassikern wie Blade Runner angefangen und hat sich bis zur Matrix-Trilogie hingezogen. Als Gegenbewegung in einer "sauberen" Zukunft hat das Raumschiff Enterprise den interplanetaren Forschungsauftrag. Der Computer-Enthusiasmus der 90er sorgte noch für einige Schmankerl wie Existenz, doch die ersten Abnutzungserscheinungen des SciFi-Genres traten ein. Seither hat sich der Blick in die Zukunft noch leicht weiterentwickelt aber die Zeit der großen Visionen scheint vorbei.

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Wie geil war früher die Zukunft bitte?

Die Zukunftsvisionen der vergangenen Jahre haben nicht mehr den Weitblick, den man früher gewagt hat. "Harte" SciFi wie Gravity oder Der Marsianer brüsten sich mit Realismus - der "Fiction"-Anteil begrenzt sich also darauf, dass es keine Dokumentation ist. Was bleibt, sind Charakterstücke wie die Tribute von Panem oder genreübergreifende Filme wie Avatar, der sich bei genauerem Hinschauen als Western entpuppt. Natürlich gibt es noch Werke, die sich mit Visionen auseinandersetzen: Ex Machina, Elysium, Moon oder Her, sowie die absolut sehenswerte Black Mirror-Serie zeigen, das Science Fiction nicht ganz abgeschrieben werden kann. Doch durch den technischen Fortschritt, hat es das Genre nicht einfach. Während in den 50ern die Technologie in den Filmen reine Fantasie war, haben wir heute bessere Werkzeuge als damals vorstellbar war. Der Kommunikator der Enterprise-Crew stinkt gegen unsere Smartphones ab. Dadurch überholt uns unsere eigene Realität teilweise: Während das FBI und Apple wegen der Verschlüsselung von iPhones diskutieren - ein Fall, der zukunftsweisend wird - versteht der Großteil der Leute nicht mal, worum es dabei überhaupt geht oder interessiert sich schlichtweg nicht, trotz iPhone in der Tasche. Wir haben die bizarren, für uns kaum verständlichen Fälle bereits in der Realität - da brauchen wir keine Science Fiction mehr. Das Resultat ist eine Fragmentierung des Genres: Während frühere Ästhetiken sich rückblickend gut einordnen lassen, könnte das mit zeitgenössischen Werken schwieriger werden. Zu viel wurde bereits gemacht, das Publikum möchte Neuheiten und eine Diversifikation beginnt. Der aktuelle Trend der Superhelden-Filme ist eine Ausprägung davon. Hier trifft Science Fiction auf eine Welt mit eigenen Regeln. Praktisch, wenn die eigene Welt zu undurchsichtig geworden ist. Wir verstehen die Vorgänge in der Gegenwart kaum, da verliert SciFi an Wichtigkeit. Überspitzt könnte man sagen, dass das Genre sich selbst überlebt hat. Vielleicht sind wir aber gerade durch unsere Annäherung nahe dran, ein ganz neues Verständnis für die erfundene Zukunft zu haben. Ich hoffe auf jeden Fall, das Science Fiction nicht zur Fiction Fiction wird.
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