Handys sind nicht wirklich neu, Uhren erst recht nicht. Wenn es ein Handy auf das Handgelenk schafft, schaut das gleich anders aus.
Smartwatches sind heute dort, wo Handys vor 10 Jahren waren. Ob es ein Trend bleibt oder sich wie die cleveren Mobiltelefone etabliert, entscheidet sich in den kommenden Jahren. Schauen wir in die Vergangenheit und in die Zukunft der Zeitmessung - Uhren waren nämlich immer schon ziemlich smart.
Es gibt Kulturtechniken, die haben ihre natürliche Lebenszeit eigentlich überschritten. Das Tippen auf das eigene Handgelenk um nach der Uhrzeit zu fragen zum Beispiel. Die heutzutage häufigste Reaktion ist nicht der Blick auf das Handgelenk und die daran festgemachte Uhr, sondern ein Griff in die Hosentasche zum Smartphone. Obwohl
Armband-Uhren noch nicht ganz von der Bildfläche verschwunden sind, haben sie sich doch zumindest rar gemacht. Das könnte sich mit den Smartwatches ändern - quasi Smartphones fürs Handgelenk. Auf einem kleinen Display zeigen sie in stark reduzierter Form das an, was man normalerweise auf dem Handybildschirm sehen würde. Durch die Vernetzung mit anderen Geräten und Services sind auch Uhren endlich im 21. Jahrhundert angekommen.
Werfen wir vor dem Blick nach vorne einen Blick zurück und schauen wir uns an, warum sich der Uhrzeiger überhaupt im Uhrzeigersinn dreht. Früher (tm), nein ganz früher - also vor knapp 5.000 Jahren wurde die Zeit bereits mit
Sonnenuhren gemessen. Die Schönwetter-Chronographen mussten jedoch immer am selben Ort stehen, um eine sinnvolle Angabe über die Tageszeit machen zu können. Knappe 3.500 Jahre später gab es die ersten Stoppuhren, die fließendes Wasser als Messgrundlage hatten. Im Jahr 900 wurden dann Kerzen-Uhren für diese Aufgabe verwendet, die Uhrzeit wurde jedoch noch immer mit dem Stand der Sonne gemessen. Eine präzisere Angabe war zu der Epoche nicht notwendig, zumindest für die meisten Leute nicht. Ein paar Aristokraten und Wissenschaftler wollten es aber genauer wissen. Deshalb wurde um 1300 die
Räderuhr erfunden, die aus Zahnrädern und Gegengewichten bestand. Für den Heimgebrauch waren diese Uhren aber noch nicht gedacht - sie wurden in Kirchtürmen und Rathäusern verbaut. Das ermöglichte den Dorf- und Stadtgemeinschaften einen strukturierten Tagesablauf. Erst ab 1500 gab es auch die "Home Edition" der Räderuhr. Zur Erfindung der Pendeluhr trug niemand anders als die Physiker Christiaan Huygens mit dem Prinzip der
Hemmung und Gallileo Gallilei mit seiner
Pendeltheorie bei, welche die physikalische Grundlage für die heute noch verwendeten Uhrwerke schafften. In den 1720ern wurden temperaturausgleichende Pendel gebaut, die nur eine Sekunde pro Tag falsch geht - revolutionär für diese Zeit.
Bereits etwas früher, zu Beginn des 16. Jahrhundert, gab es schon Uhren im Mini-Format. Diese mit Federn betriebenen Geräte hatten jedoch eher ein Dosen-Format, man brauchte also entsprechend große Taschen. Die
Savonnette, die klassische Aufspring-Taschenuhr, wurde um 1600 in Frankreich zum Trend. Die Bauart löste auch das Problem von Seefahrern, denen der Wellengang die Verwendung von Pendeluhren unmöglich machte.
Der Franzose Alberto Santos-Dumont wurde lieber Pilot als Seemann, weshalb er 1904 nach einer praktischen Alternative für die Taschenuhren suchte. Die Lösung seines Freundes, dem Uhrmacher Louis-Francois: Er spendierte der Taschenuhr ein Lederband, mit dem man sie am Handgelenk festmachen konnte. In den 30ern machte die
Quarzuhr das Aufziehen unnötig, in den 70ern wurden die Uhren digital. Ein guter Punkt, um wieder an Relevanz zu gewinnen.
Zwei kleine Details zum Abschluss der Geschichtsstunde: Die Uhr dreht sich "im Uhrzeigersinn" weil sich der Stab-Schatten von Sonnenuhren gleich gedreht hat, wir haben 12 Stunden statt 24 auf dem Ziffernblatt, da dieses sonst zu voll wäre. Warum wir einen 24-Stunden-Tag haben ist Material für einen anderen In Your Face Friday, für den ich erst die Zeit finden muss.
Es ist kein Pip Boy 3000 aber Smartwatch ist Smartwatch. Mit dem (sehr) kurzen Rückblick auf die Geschichte der Uhr können wir uns über ihre Zukunft Gedanken machen. Aktuell sind sie eher ein
Schmuckstück, zum Ablesen der Zeit wird von vielen Leuten lieber auf ein Display statt auf ein Ziffernblatt geschaut. Das könnte sich bald ändern - dank den Smartwatches. Zwei große Handy-Produzenten -
Apple und
Samsung sowie
Android sind bereits in das Geschäft eingestiegen, mit
Pebble gibt es kleine Mitbewerber, die mit eigenen Ideen auftrumpfen. Auf den Handgelenks-Handys werden Informationen angezeigt, Mails und SMS eingeblendet und der Kalender erinnert an Termine. Zusätzlich läuft Musik auf dem Gerät und soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook finden ebenfalls ihren Weg auf das kleine Display. Es klingt wirklich wie ein Ersatz für das Handy - außer, dass es das meistens nicht ist. Bei vielen Modellen wird ein
passendes Mobiltelefon benötigt, die Uhr dient eher als tragbare Schnittstelle. Wenn man also das Handy für das Schreiben von Mails verwendet, dient die Smartwatch eher zum Lesen der Antwort. Resultat des High-Tech-Chronographen ist also, dass man nicht mehr so oft auf sein Handy schauen muss und Informationen tatsächlich bei der Hand hat.
Interessant ist, dass beim
Formfaktor noch keine Vereinheitlichung wie bei den Smartphones stattgefunden hat. Diese lassen sich als "abgerundetes Quadrat mit großem Display und einem Knopf" zusammenfassen. Bei Uhren gibt es noch mehrere Formfaktoren, die in Größe und Dimension variieren. Besonders interessant ist der Ansatz von Pebble, e-Paper statt einem LCD-Display einzusetzen.
Es ist und bleibt fraglich, ob wir heute bei Smartwatches dort stehen wo wir
2005 bei Handys waren und in 10 Jahren jeder eine haben wird oder ob es ein kurzlebiger Trend für Enthusiasten ist. Die wichtigste Frage ist, was die Smartwatch sein soll. Es ist wie bei Tablets, die sich einen Platz zwischen Smartphones und Laptops erkämpft haben, wobei sie die Relevanz der Laptops für viele Konsumenten verringert haben. Genau das könnte bei Smartwatches und Handys passieren. Statt dem schicken, neuen Modell mit großem Display könnten sich die Leute lieber ein Mittelklasse-Handy und dazu eine Smartwatch holen. Ob das so passieren wird, entscheidet sich damit, ob ein Nerv bei den Nutzern getroffen wird. Die Uhren brauchen ein
Anwendungsgebiet, in dem sie überragend sind - sei das einfache Handhabung, einzigartige Features oder eine neue Form der Konnektivität mit der Umgebung des Trägers. Natürlich werden sich die Geräte - besonders die Apple Watch - halbwegs gut verkaufen und eine weitere Generation der Geräte wird folgen. Vielleicht ergeben sich dann Anwendungsbereiche, die eine Smartwatch zu einem attraktiven Stück Technologie machen. Wenn sie das nicht schaffen, dann stehen wir vor einem Trend ohne langfristige Zukunft.
Der Traum der 80er Jahre geht in Erfüllung! (Knight Rider und Inspector Gadget) Könnt ihr euch ein Anwendungsgebiet für Smartwatches in eurem Alltag vorstellen? Welche Features würden euch zum Kauf einer solchen Uhr bewegen und welches Model würde euch am ehesten ansprechen?
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