Ui, ein neuer Teil von der Spieleserie! Ui, ein neuer Teil von der Spieleserie! Ui, ein neuer Teil von ... warte mal, da schlägt doch die Routine mit all ihrer Unbarmherzigkeit zu. Aber ist das tatsächlich etwas Schlechtes? Die jährlichen Gaming-Inkarnationen scheinen sich ja gut zu verkaufen. Aber es könnte durchaus sein, dass wir gerade das goldene Zeitalter des Gaming-Spams verlassen. Wie es weiter geht, entscheiden nämlich nicht nur die Macher der Spiele.
Als ich diese Zeilen schreibe, steht die E3 2016 vor der Tür. Streicht man die Jahreszahl, ist das eine zeitlose Aussage - vor der E3 ist nach der E3. Auch dieses Jahr werden wieder Neuzugänge für die "muss ich zocken"-Liste vorgestellt, viele davon Fortsetzungen. Es kursieren bereits Vorankündigungen und Gerüchte für Watch Dogs 2, Injustice 2, Dead Rising 4, Dishonored 2 und Ghost Recon: Wildlands. Fällt euch was auf? Alles Fortsetzungen bestehender Serien. Natürlich wird es euch neue IPs geben - Agents of Mayham von den Saints Row-Machern zum Beispiel. Aber wir werden bei der Messe mehr Sequels als Neuheiten sehen - wieder mal. Denn damit setzen die Entwickler und Publisher auf sie sichere Option: Eine bestehende Fangemeinde wird mit Nachschub versorgt. Ein bestehendes Spielprinzip und ein vorhandener Look werden genommen, um mehr von einem bewährten Produkt zu erzeugen. Die Vorlauf-Arbeit dafür ist entsprechend kürzer, da die "Formel" für das Game ja schon besteht. Eigentlich brauch die Fortsetzung somit "nur noch" ein Update (besser bekannt als "ein riesen Haufen Arbeit") und schon kann geliefert werden. Sportspiele kriegen die aktuellen Mannschaften und Spieler, storybasierte Games einen neuen Eintrag in ihre Chronik und der Multiplayer wird mit neuen Gimmicks aufgefrischt. Wenn mehrere Studios parallel an einer Serie arbeiten, kann der Release-Kalender sogar einen jährlichen Eintrag verzeichnen. Neben den Sport-Klassikern wie FIFA oder NFL Madden haben es auch Call of Duty und Assassin's Creed geschafft, jedes Jahr ein Spiel auf den Markt zu bringen. Irgendwann hat es sich angefühlt, als ob einfach zu viel da wäre und die Qualität stagnieren würde. Das haben sich manche Studios zu Herzen genommen: Dieses Jahr wird es kein "Assissinen gegen Templer"-Abenteuer geben, dafür einen Kinofilm. "Dieses Jahr treten wir einen Schritt zurück und reevaluieren das Assassin's Creed Franchise", hieß es in einem Blogpost von Ubisoft. Statt dem 12-monatigen Release-Plan wird 2016 also gerastet und über das Erlernte reflektiert. Das mag bei den oft auffälligen Bugs und den mittlerweile zum Standard gewordenen Tag-1-Patches mit mehreren Gigabyte Größe vielleicht eine gute Idee sein. Anders sieht das bei Activision aus, die mit Call of Duty: Infinite Warfare ihrem Rhythmus treu bleiben. Der Shooter-Primus zeigt aber bereits Schwächen, was sich in den von Teil zu Teil sinkenden Vorbesteller-Zahlen abzeichnet. Rechnen wird sich der Space-Shooter auf jeden Fall, bloß wird die Gewinnspanne mit jeder Installation der Serie wohl kleiner. Wie lange das gut geht, bleibt abzuwarten. Auch die "Antwort" von EA - nämlich Battlefield 1 mit dem Erster-Weltkrieg-Setting - dürfte hier ein Faktor sein. Viele Fans haben sich nach dem eher mäßig erfolgreichen Battlefield: Hardline über den radikalen Setting-Wechsel gefreut. Ein Zeitsprung von 100 Jahren in die Vergangenheit statt in die Zukunft könnte somit zu einer Kehrtwende in der alten Shooter-Konkurrenz werden.
Der Lebenszyklus einer Spieleserie (Dramatisierung).
Was bedeutet diese Veröffentlichungs-Politik für uns Gamer? Zunächst, dass wir seit 2006 uns jedes Jahr ein neues Call of Duty holen konnten. Nachschub gab es immer - und einen regelrechten CoD-Zyklus dazu. Im Mai gab's stets den Trailer, Release im November, rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft. Wir konnten uns den Kalender und das Ersparte nach den von uns geliebten Spieleserien ausrichten. Und sobald wir aus der digitalen Achterbahn ausgestiegen sind, konnten wir uns schon auf die Ankündigung für die nächste Fahrt freuen. Damit verbunden sind neue Erlebnisse, frische Griffe in die Trickkiste und Grafik-Updates hier und da. Meist wird nicht die Gaming-Welt auf den Kopf gestellt, über die Release-Geschichte verteilt kann man jedoch eine deutliche Entwicklung sehen. Ob dieses "ein Bisschen mehr" jedoch auf Dauer ausreicht, ist fraglich. Im vergangenen Jahrzehnt hat es definitiv funktioniert - doch Trends, Märkte und Industrien ändern sich. Was lange Zeit funktioniert hat, kann zu einer Sackgasse werden. Die nächsten Release-Zyklen werden zeigen, ob das der Fall ist oder ob die großen Publisher nur gerade eine Flaute überwinden. Im Endeffekt wird der Erfolg von jährlichen Spieleserien durch Angebot und Nachfrage geregelt, unsere Geldbörsen sind unsere Wahlzettel. Wer alle 12 Monate in ein Duty of Assassin's: Creedcall investiert, signalisiert: bitte mehr davon. Wenn diese Nachfrage sinkt, wird das Angebot langfristig auch angepasst. Das ist ein träger Prozess, den wir zwar mit entscheiden, bei dem der Konsument jedoch nicht die alleinige Kontrolle über den Prozess hat. Ein wirtschaftliches Unternehmen - und das sind Entwickler und Publisher nun mal - wird natürlich versuchen, seine Franchises zu retten. Das kann von "einen haben wir noch" bis hin zu "mach ma mal Pause" reichen. Es könnte also durchaus sein, dass wir gerade noch in einem goldenen Zeitalter der jährlichen Spieleserien leben und dass dieser Trend in naher Zukunft vorbei sein könnte. Vielleicht beschließt Valve ja, wenn sich all der CoD-Staub gelegt hat, endlich Half-Life 3 zu veröffentlichen.
Habt ihr schon mal mehrere Jahre hintereinander Spiele vom selben Franchise gekauft oder wehrt ihr euch dagegen? Was glaubt ihr, könnte eine ähnlich erfolgreiche Release-Politik für die Zukunft werden?
Intro-Bild von tigerlily713, verwendet unter Creative Commons Lizenz.