Wer hat an der Uhr gedreht? Die Wissenschaftler wahrscheinlich. Die finden nämlich immer wieder
präzisere Methoden, die Zeit zu messen. Was als "wie lange ist es noch hell?" angefangen hat, bemächtigt sich mittlerweile atomare Referenzen, um die Uhrzeit zu definieren. Schauen wir uns also an, wie die Jahrtausende lange Reise von der rituellen Sonnenuhr bis zur Smartwatch mit weltweit gleich getakteter Zeitmessung verlaufen ist. Dauert auch nicht lange.
Bevor wir richtig loslegen, erst mal eine Definition von "Uhr": Das Ding, das den Verlauf eines Tages sichtbar und verständlich macht. Ein Kalender oder eine Stoppuhr sind nette Extras, die mittlerweile mit eingebaut werden aber sie sind keine Uhren in dem Sinne, um den es jetzt geht. Die Teile haben einiges durchgemacht, bevor man an "Extras" überhaupt denken konnte. Angefangen hat die Zeitmessung im
alten Ägypten vor rund 5.500 Jahren. Das Prinzip einer Sonnenuhr wurde dort mit einem rechteckigen Podest umgesetzt, das auf zwei Seiten von parallelen Linien im Boden flankiert wurde. Abhängig von der vom Schatten berührten Linie hatte es eine entsprechende Uhrzeit - ein System, das bis heute verwendet wird. Wirklich einheitlich war die Zeitmessung damals jedoch nicht. Je nach Uhr wurde die Tageszeit anders eingeteilt, mal waren es sechs Stunden, mal 18. Grund dafür war die Mythologie, die damals den Takt angab. Imnothep und Komparsen waren lieber gottesfürchtig als präzise. Schon damals setzten sich aber zwei Ideen durch: eine Trennung von Tag und Nacht (als AM und PM in manchen Kulturen erhalten) sowie die Unterteilung in 12 Stunden der Tageshälfte nach einiger Abstimmung. Dabei gab es 10 normale Stunden sowie jeweils eine Dämmerungs-Stunde für Morgen und Abend.
Ein bisschen später - rund 3.000 Jahre - haben auch die Griechen ihre eigene Form der Uhr, basierend auf fließendem Wasser. In einen Topf mit Loch an der Basis wurde Wasser gefüllt, das langsam in einen zweiten Behälter floss. Der Wasserstand der
Klepsydra (Wasserdiebin) zeigte basierend auf der Markierung an der Innenseite die Uhrzeit an. Leider musste man die Uhr regelmäßig nachfüllen und somit neu stellen. Zeit war somit eher abhängig von der Nachbarschaft, die sich somit gleich takten konnte. Der Vorteil gegenüber Sonnenuhren war die Unabhängigkeit von Tageszeit und Wolkenstand. Und dann war da noch
Platon... Dem alten Philosophen haben wir nämlich die Idee des Weckers zu verdanken. Nach knapp 200 Jahren wurde die Bauart der Uhr vereinheitlicht und schließlich mit mechanischen Bauteilen verfeinert. Das Resultat war eine Uhr mit Ziffernblatt und Zeiger.
In der Neuzeit erfanden die fleißigen Uhrenbauer ein wichtiges Prinzip: die
Hemmung. Nein, die haben sich im Bad schon nackig gemacht. Viel mehr handelt es sich um eine Mischung aus einem schwingenden Pendel und einer Reihe von Zahnrädern, die das Schwingen des Pendels in Energie für die Rotation der Uhrzeiger ausnutzen. Obwohl schon vor 2.300 Jahren die ersten Prototypen vorhanden waren (wieder in Griechenland), kamen chinesische Erfinder erst auf die Idee, daraus mehr zu machen. Das dauerte allerdings - auf der Zeitlinie befinden wir uns gerade rund ums Jahr 1000. Bis sich die
Räderuhren auch in Europa etablieren konnten, dauerte es bis zum späten 14. Jahrhundert. Dafür ist eine der wahrscheinlich ersten großen Uhren dieser Art noch in der britischen Wells Cathedral in Somerset erhalten - der dazugehörige Mechanismus befindet sich allerdings mittlerweile im Londoner Wissenschafts-Museum. Ebenfalls erwähnenswert ist das Uhrwerk der ebenfalls britischen Salisbury-Kathedrale, die noch aus Originalteilen besteht. Zeitmessung war damals etwas Zentrales - ein Blick auf die lokale Kirche ersetzte die heimische Uhr. Besonders präzise war das aber nicht, immerhin gab es dabei nur einen Zeiger für die Stunde und keinen Minuten-, geschweige denn Sekundenzeiger.
Das Uhrwerk der Salisbury-Kathedrale, ein zeitloses Original.
Foto: Wikipedia, verwendet unter Creative Commons Lizenz. Zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert schrumpften die Uhren massiv - von der Größe einer Kirche auf ein Format, das man sich ins Wohnzimmer stellen konnte. Wie praktisch. Dabei handelte es sich primär um
Pendeluhren, bei denen der niederländische Physiker Christiaan Huygens und der der italienische Pater Giovanni Battista Riccioli maßgeblich am Design mitwirkten. Ihre Uhren hatten eine bisher unerreichte Abweichung von wenigen Sekunden am Tag. Da man als stolzer Uhrenbesitzer die Zeit dennoch regelmäßig anpassen musste, entwickelte sich der Beruf des "Zeitansagers": Leute gingen zu großen (und präzisen) Uhren, stellten auf ihrer Uhr genau die Zeit ein und gingen von Haus zu Haus, um die dortigen Zeitmesser richtig zu takten. Die Miniaturisierung brachte die ersten
Taschenuhren zum Vorschein. Die erste Armbanduhr wurde 1810 angefertigt, der schweizer Tüftler Abraham Louis Breguet fertigte sie damals für Caroline Bonaparte, eine Schwester Napoleons an - sie hatte einfach keine Lust, immer zur Uhr greifen zu müssen. Im Ersten Weltkrieg wurden Armbanduhren bei Soldaten (besonders bei Offizieren) beliebt. Den Trick hatten sie von einigen der größten Abenteurer dieser Zeit abgeschaut: von Piloten. Mit Hofdamen und Haudegen als Besitzern wurde die Taschenuhr also ein Ding.
Durch die Trennung der Zeigermechaniken erreichte 1921 die Uhr des britischen Ingenieurs William Hamilton Shortt erstmals eine Präzision von hundertstel Sekunden. Das wurde 1929 vom Kanadier Alvin Marrison unterboten - er baute die erste
Quarzuhr. Mit einem Quarzoszillator als Taktgeber wurde die stets gleichbleibende Schwingungsfrequenz eines Quarz-Kristalls gemessen. Das Pendel hatte somit ausgedient. Aufgrund der geringen Größe der Bauteile konnten nicht nur massive Uhrwerke, sondern auch handliche Armbanduhren - die zuvor stets mit einer Hemmung mit Schwingungs-Mechanismus ausgestattet waren - als Quarzuhren angefertigt werden. Basierend auf einem ähnlichen Prinzip wurde auf der Suche nach immer höherer Präzision 1946 die erste
Atomuhr konstruiert. Während damals die Mikrowellen-Strahlung von Atomen gemessen wurde, greift man heute auf die optische Abtastung der Teilchen zurück. Damit man auch zu Hause etwas davon hat, wurden Funkuhren entwickelt, die sich nach solchen Vorbildern regelmäßig takten. Präzise Zeitmessung ist
kein Privileg mehr - sondern ein einfach erhältliches und Produkt.
Mittlerweile haben wir Uhren in unsere Handys und Handys in unsere Uhren eingebaut. Die Uhr an sich ist entweder ein schickes Accessoire oder ein Taktgeber an öffentlichen Plätzen geworden. Aber warum das Ganze? Warum so viel Technologie in etwas Stecken, das die Rotation der Erde in kleine Einheiten unterteilt? Unser Leben ist immer stärker
segmentiert und getaktet worden. Das hat schon vor langer Zeit angefangen. Eine der gängigen Theorien zu den Monolithen von Stonehenge ist, dass es sich dabei um eine Mischung aus Uhr und Kalender handelt, die sowohl den relativen Stand der Sonne als auch des Mondes sichtbar macht. Das war in einer Zeit wichtig, als wir von Jägern und Sammlern, deren Leben von Mondphasen bestimmt wurden, zu Bauern wurden, die sich nach der Sonne richten mussten. Seither bestimmt dieser Trend unsere Zivilisation. Aus Jahreszeiten wurden Monate, Tage und bald Stunden. Damit die besser greifbar werden, wurden Minuten und Sekunden auf dem Ziffernblatt ergänzt. Als wir schon dabei waren, war der Schritt zu zehntel, hundertstel und noch kleineren Bruchteilen der Sekunde quasi Ehrensache. Wir definieren Zeit immer genauer - und dadurch definiert Zeit uns.
Wie ist euer Verhältnis zu Uhren? Besitzt ihr teure Designer-Stücke oder geerbte Kukuks-Uhren? Schaut ihr manchmal auf die Ziffernblätter von Kirchen oder Rathäusern (wie die in Mödling im Titelbild)?
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