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In Your Face Friday - Primetime

karlstiefel 27.06.2014 17288 14
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Mal schauen, was heute Abend so im Fernsehen läuft. Es ist fast egal, welchen Sender man schaut - um 20:15 wird meistens ein Film, eine Serie oder eine Show gezeigt. In der Hauptsendezeit haben die Stationen täglich die Möglichkeit, Millionen von Zuschauern vor die Bildschirme zu locken. Aber wie kam es zu der seltsamen Taktung und ist das überall so? Der In Your Face Friday schaltet sich ein.

Eine kleine Fernseh-Anekdote zum Einstieg: Am Tag meiner Geburt hat eine Freundin meiner Familie einen Zeitungsstand quasi leer gekauft. An meinem 18. Geburtstag schenkte sie mir dann einen Stapel an Zeitungen und Magazinen, der genau so alt war wie ich. Darunter befand sich die Zeit, der Spiegel und auch ein Fernsehprogramm. Wie sich herausstellte, hätte ich am ersten Abend meines Lebens Tatort schauen können. Habe ich aber nicht, ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Eines ist seither gleich geblieben: Damals wie heute läuft dieselbe Krimiserie auf demselben Sender zur selben Zeit. 20:15 flimmert Tatort über die heimischen Bildschirme, heute halt auf flachen HD-Geräten statt auf Röhrenfernsehern. Dass diese Taktung sich nicht geändert hat, zeigt, dass sich die Lebensumstände auch nicht grandios umgekehrt haben. Ein "normaler Angestellter" tritt die Arbeit um 8 Uhr an und verbringt neun Stunden am Arbeitsplatz bevor der Heimweg angetreten wird. Um etwa 18 Uhr stehen die Chancen gut, dass der Durchschnittsbürger zu Hause angekommen ist. Eine Stunde Spielraum gibt es für das Abendessen, eine weitere Stunde zur Entspannung. Nach Adam Riese sind wir jetzt bei 20 Uhr angekommen - Zeit für die Nachrichten. Genau hier finden wir auch die für unsere Primetime verantwortliche Sendung: die Tagesschau. Seit 1952 werden pünktlich um 8 auf dem Ersten (ehemals ARD, davor NWDR) die aktuellen Geschehnisse der Welt zusammengefasst. Bei uns wird mit der Zeit im Bild seit 1955 der Vorabend vom Hauptabendprogramm getrennt. Dass man in Österreich mehr als 15 Minuten über den Stand der Dinge jammern könnte steht außer Frage - der Höflichkeit halber reißen wir uns aber zusammen und halten uns kurz.

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Seit 44 Jahren hat Tatort einen Fixplatz im Hauptabendprogramm.

Wann denn der Hauptabend beginnt, ist Definitionssache. In Deutschland hat jedes Bundesland ein eigenes Mediengesetz, welches diesen Begriff zeitlich regelt. Hierzulande sind wir etwas liberaler, der ORF nennt abhängig vom Programm einen Zeitpunkt zwischen 19:25 und 20:15 als Startpunkt des Hauptabendprogramms. Die Schweizer sind hier - wieder mal - vollkommene Hipster im deutschen Sprachraum. Hier starten die Nachrichten um 19:30, da langsamer geredet wird dauern sie auch bis 20 Uhr. Dann startet zur vollen Stunde der anschließende Film. Die Franzosen haben es weniger eilig - hier beginnt die Primetime teilweise erst um 21 Uhr. In Japan gibt es einen eigenen Begriff: die Golden Time dauert von 19 bis 22 Uhr. Besonders stark ist die Getsuku, der Termin Montags um 21 Uhr. Für japanische Sender ist das der Zeitpunkt schlechthin, beliebte Programme zu bringen. Egal, über welches Land wir sprechen, eines bleibt wichtig: die Finanzierung der Sender. Es ist fast egal, wie hoch der Marktanteil liegt, zum Hauptabendprogramm ist die Einschaltquote stets am höchsten. Genaue Zahlen lassen sich durch Marktforschung errechnen, sehr beliebt ist die willkürlich zusammengewürfelte Altersgruppe zwischen 19 und 49. Hier, so halten sich Marktforscher maximal wage, liegt die günstigste Mischung aus Kaufkraft und Kaufbereitschaft der Bevölkerung. Darum sind auch die Werbeslots während eines 20:15-Films entsprechend beliebt. Wir haben es ja gut, was das angeht. Dank einem staatlichen Fernsehen, das sich für einen Privatsender hält kriegen wir Filme und Serien ohne Werbeunterbrechung. Dafür zahlen wir ja die GIS. Ihr könnt aufhören zu lachen. Welche Ausmaße das annimmt, kann man in einem jugendfreundlichen Experiment selbst nachprüfen. Man warte, bis ORF1 und ein beliebiger Sender aus unserem Nachbarland ein kongruentes Programm senden. Startzeit ist jeweils, ihr habt es erraten, 20:15. Dann genügt ein Blick in die Programmzeitschrift des Vertrauens, um den Startzeitpunkt der darauf folgenden Sendung zu erörtern. Die unterschiedliche Dauer des Filmes lässt mehrere Schlussfolgerungen zu: Entweder, deutsche Sender zeigen nur Director's Cuts, oder der ORF spult die Filme einfach schneller ab oder - und hier sind wir bei der wahrscheinlichsten Erklärung - im Privatfernsehen kommen auf 90 Minuten Film knappe 30 Minuten Werbung. Die ist entsprechend besser bezahlt als eine Einschaltung um 10 Uhr Früh.

Darum können wir keine netten Dinge haben!

Dass die Zeitgestaltung für ein rund um die Uhr sendendes Medium ein wichtiger Faktor ist, ist klar. Nun können wir uns - digitalen Sendern sei Dank - fragen, ob das auch für YouTube, Netflix und Konsorten Relevanz hat. Ein Blick auf die Abo-Liste bei YouTube verrät, dass auch viele Kanäle einen gewissen Rhythmus gefunden haben. Die Taktung orientiert sich hier natürlich nicht beim Fernsehen, sondern beim Nutzungsverhalten der Zuschauer (wie ja eigentlich das Fernsehen auch). Egal ob wöchentlich oder täglich um 18 Uhr - viele YouTuber haben fixe Zeiten, in denen sie ihre Videos hochladen. Nun hat sich aufgrund der unterschiedlichen Struktur keine einheitliche "Hochladezeit" etabliert. Während das Fernsehen immer sendet, steht YouTube immer zum Abruf bereit. Noch weniger kümmern sich Video-On-Demand-Services um Sendezeiten. Was Sky und Netflix bieten, ist das Programm des Fernsehens mit den Abspielmöglichkeiten des Internets. Das geht sogar so weit, dass ganze Staffeln von Serien (Orange is the new black, Arrested development oder House of Cards) gleichzeitig hochgeladen werden. Statt einem Serien-Herbst mit wöchentlicher Ausstrahlung gibt es alle Folgen gleichzeitig. Eine poststrukturelle Primetime ist also vollkommen optional. Es hilft, Zuschauer an das eigene Programm zu binden, ihnen Sturktur im Mediengebrauch zu geben und die Vorfreude auf ein neues Video hoch zu halten.

Im Endeffekt können wir über die Primetime froh sein - schließlich wissen wir verlässlich, wann Tag für Tag nichts Vernünftiges im Fernsehen läuft. Aber wie schaut es bei euch aus? Ist 20:15 noch ein Fixtermin oder haltet ihr es für eine veraltete Sitte der Medien?
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