Festplatte defekt? CPU durchgebrannt? Passiert, schließlich hat unsere Hardware nur eine gewisse Lebensdauer. Genau wie wir. Was mit unserem
digitalen Fingerabdruck nach unserem Ableben passiert und wie virtuelle Welten ein Ablaufdatum haben können, sagt viel über den aktuellen Stand der
Sterblichkeit aus.
81 Jahre - so hoch ist die
durchschnittliche Lebenserwartung für einen Österreicher. Als Mann hat man da etwas weniger Zeit, mir sind laut Statistik Austria nur
78 Jahre vergönnt. Um diesem Richtwert gerecht zu werden, habe ich also noch genau fünf Jahrzehnte, bevor sich meine Angehörigen über die Modalitäten der Beerdigung Gedanken machen dürfen. Mir kann das dann egal sein. Viel wichtiger als die unausweichliche Tatsache, dass man stirbt ist ohnehin, wie man die Zeit bis dahin verbringt. Noch lebe ich ja und hinterlasse meine Spuren auf der Welt. Alle zwei Wochen verfasse ich zum Beispiel eine Kolumne, die für Digital-Archäologen der fernen Zukunft ein Glücksfund sein werden. Bis dahin wird overclockers.at die lästige Konkurrenz wie Facebook oder Google sicher schon abgelöst haben, ich zweifle also nicht an der Archivierung des IYFF für die Nachwelt.
Aber was passiert eigentlich mit einem Social-Media-Account, wenn die Person dahinter verstirbt? Auf Facebook kann man
einen Todesfall melden, woraufhin das Profil des Verstorbenen in einen
Gedenkzustand versetzt wird. Konkret bedeutet das, dass Inhalte nicht mehr hinzugefügt oder entfernt werden können. Außerdem können sich die Hinterbliebenen wie bei einem Kondolenzbuch eintragen. Dazu muss aber erst entsprechend reagiert werden, was jedoch nicht immer passiert. Einer
Studie zufolge haben 30 Millionen tote Menschen noch einen Facebook-Account. Vielleicht sind einige dieser User noch recht umtriebig. Nein, ich rede nicht von Zombies, sondern von
Post-Mortem-Nachrichten. Auf Seiten wie
Dead Social kann man Nachrichten für die Zukunft vorbereiten. Diese werden bei einer ausbleibenden Bestätigung - und somit dem angenommenen Tod - in geplanten Abständen verschickt. Somit lässt sich ein letztes Selfie selbst nach dem Ableben noch posten. Auch Google hat ein ähnliches Prinzip. Mit dem
Kontoinaktivität-Manager lässt sich ein Zeitraum festlegen, nach dem der eigene Google-Account als "inaktiv" eingestuft wird. In diesem Fall werden die dort gespeicherten Daten an einen anderen Account weitergegeben. Ist das geschehen, erhält das eigene Konto noch eine Gnadenfrist und wird dann gelöscht.
Sicher ist sicher. Dazu die Festplatte in die Mikrowelle. Wenn man das Szenario umdreht, ist es auch seltsam. Wenn nicht der Mensch, sondern die digitale Welt in der wir uns bewegen stirbt, verschwindet ein Teil unserer Geschichte. Ich rede hier nicht von dem fröhlichen Klempner, der durch unser Handeln bereits abertausende Bildschrimtode sterben musste - hier geht es um ganze Welten. Das kann schrittweise gehen, wie es gerade auf manchen
World of Warcraft-Servern der Fall ist. Ein
Artikel im AV Club zeigt ausgestorbene Städte, die einst belebte Zentren von Azeroth und der Scherbenwelt waren. Heute sind Darnassus, Shattrath und die Exodar nur noch Fassaden, ein Schatten ihrer einst glorreichen Vergangenheit. Das Einzige, was die digitalen Schauplätze von realen Geisterstädten wie
Prypjat unterscheidet sind die NPCs, welche ungeachtet der ausbleibenden Kundschaft noch ihre Dienste anbieten.
Shattrath und Prypjat: Zwei Städte mit einer ähnlich hohen Bevölkerung. Was aber, wenn nicht nur eine Stadt sondern das ganze Spiel irrelevant wird. Das passiert zumeist aufgrund der ausbleibenden Nutzerzahlen. So geschehen beim Titel
Tabula Rasa, welches in einem Science Fiction Setting die Rückeroberung der Erde aus den Fängen von der feindlichen Alien-Rasse "Bane" zeigte. Nach dem Start 2007 kam es nicht zu dem erwarteten Erfolg, weshalb das Ende von
Tabula Rasa für das erste Quartal 2010 angekündigt wurde. Mit dieser finalen Entscheidung wurde jedoch auch eine gute Nachricht verkündet: Das Spiel wurde für mehrere Monate kostenlos spielbar und die Entwickler veröffentlichten für diese Zeit noch einen großen Content-Patch. Dann, am 1. März 2010 stand der letzte große Angriff der Menschen gegen die Bane an. Ein Event, das von den Spielern als große Party genutzt wurde. Dann gab es einen
Disconnect, nach dem man sich nicht mehr einloggen konnte. Die Server wurden heruntergefahren, das MMO war vorbei, der Titel nicht mehr spielbar. Andere Titel wie
Warhammer Online, Star Wars Galaxies oder
The Matrix Online teilten dieses Schicksal.
Das Ableben eines einzelnen Spielcharakters kann man in Games wie
Diablo 3 oder
Dark/Deamon Souls erleben. Beim
Hardcore-Modus von
Diablo kann ein einziger Fehler das endgültige Ende des Helden bedeuten. Kein Speicherpunkt, kein Extraleben - stirbt der Held, ist das permanent. Erfahrung, Ausrüstung und Inventar werden mit ihm/ihr zu Grabe getragen. Alles, was an den einst mächtigen Abenteurer erinnert ist der Geist im Charakterauswahl-Bildschirm. Ganz so streng ist die knackig schwere
Souls-Serie nicht - zumindest nicht für den Spieler. Wer seine Klinge gegen einen NPC erhebt und diesen tötet, wird jedoch mit den Konsequenzen leben müssen. Wenn ein Händler oder ein Questgeber stirbt, bleibt das auf dem Speicherstand so. Man sollte sich also überlegen, wo man seine Waffe zieht.
Ein Leben nach dem digitalen Tod wurde der Hosting-Plattform
GeoCities gegönnt. Auf stolzen 15 MB konnte dort jeder seit 1994 eine Homepage basteln. Der zwischendurch von Yahoo! übernommene Hoster wurde jedoch immer weniger wirtschaftlich, weshalb 2009 die Einstellung bekanntgegeben wurde. In einem Gemeinschaftsprojekt wurden sämtliche Inhalte des Hosters auf das
Internet Archive hochgeladen. Dort kann man jetzt eine über 600 GB lange Datei herunterladen, welche eine
Momentaufnahme des sonst so schnelllebigen Internets ist. Eineinhalb Jahrzehnte Internetgeschichte, welche den Datenarchäologen viel Freude bereiten werden. Wenn so die Unsterblichkeit aussieht - das ewige Verbleiben in einem Zustand - dann kann ich darauf verzichten. Ein endloses "Leben" ohne Veränderungen, bei denen ich die selben Geschichten immer wieder erzähle, klingt nicht besonders erstrebenswert. Bevor ich mein Gehirn also in einen Computer hochladen lasse, lebe ich lieber ein erfülltes und dafür endliches Leben. Oder ich lasse mich wie Walt Disney einfrieren und lebe als Kopf im Jahr 3000 wie in
Futurama. Auch eine Option.
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