Eine neue Technologie sorgt für Aufregung bei Intel und Apple - ihr könnt sie kostenlos kriegen! Hier erfahrt ihr die 10 Geheimnisse des Overclockings. Es geht um schöne Frauen, gratis HD-Filme und ein neues Handy jedes Jahr. Aufmerksam geworden? Gut, denn eigentlich werfen wir ein Auge auf Klickbait - die Kunst, den User auf einen Artikel zu locken. Die Versprechen aus den ersten Sätzen kommen dann in einem anderen In Your Face Friday.
Früher (tm) war es einfach, den Erfolg von Medien zu messen. Wie viele Bücher verkauft werden, können Buchhandlungen und Verlage beantworten. Für einen Kinoerfolg sprechen Besucherzahlen und Einnahme-Ergebnisse. Beim Fernsehen wird es schon etwas schwieriger: Da nicht jeder Zuschauer messbar ist, werden kleinere Gruppen analysiert und basierend auf den Ergebnissen werden Zuschauerzahlen errechnet. Wie erfolgreich ein Artikel oder ein Video im Internet sind, lässt sich an einer einfachen Zahl fixieren: den Zugriffen. Je mehr ein Inhalt angeklickt wird, umso mehr Nutzer werden damit erreicht. Wenn jeder Klick zählt, werden viele Inhaltsersteller alles Erdenkliche dafür tun, um die Anzahl der Zugriffe in die Höhe zu treiben. Denn: Die Abschaltquote im Internet ist extrem hoch. Wenn eine Seite keine interessanten Inhalte zu bieten hat, warten zehn andere urls nur darauf, angeklickt zu werden. In der entsprechend kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Durchschnitt-Users muss also ein Maximum an Relevanz erzeugt werden.
Das lässt sich mit verschiedenen Mitteln erreichen: Schlagwörter und Themen, die die Gemüter erhitzen, große und auffällige Schriftarten, anzügliche oder provokative Bilder. Bekannte Formate wie Listen werden verwendet um beim Konsumenten Zweifel am eigenen Weltbild zu erzeugen. Titel wie "10 Dinge von denen XY nicht will, dass du sie weißt" oder "Warum [Lieblingsband] garnicht so toll ist" versuchen Interesse mit nur einem Satz zu erzeugen. Im Endeffekt wird ein Versprechen gemacht, dass der Inhalt für den User wichtig ist. Der tatsächliche Inhalt ist bestenfalls gut produziert, zumeist aber wiederverwendete Trivia mit wenig tatsächlicher Relevanz. Statt reflektierten und diskutierten Inhalten gibt es Boulevardjournalismus, der als "Fakten" verkleidet ist. Wirklich neu ist das Konzept nicht - schließlich sind YouTube und das Gawker-Netzwerk nicht die Ersten, die von provokativen Schlagzeilen leben. Der Boulevardjournalismus - gerne auch liebevoll Regenbogenpresse oder im Englischen Yellow Press genannt - nutzt diese Strategien seit es Massenmedien gibt. Die Themen werden entsprechend auf die Zielgruppen angepasst: Statt gratis Software gibt es Abnehm-Tipps bei denen man alles essen darf, Promis der Geek-Kultur werden mit Vertretern von Königshäusern ausgetauscht. Davon profitieren sowohl breitenwirksame Zeitungen wie Bild, Krone, Heute oder Österreich als auch Nischenzeitschriften wie die Gala. Das analoge Gegenstück zum Klickbait, Readbait also, ist in den Printmedien bereits ein alter Hut.
Boulevard-Zeitungen: Wenn man einfach nicht genug Drama im Leben hat.
Warum wird ein solch alter Hut noch immer dazu verwendet, Aufmerksamkeit zu erhaschen? Obwohl YouTube und Krone nicht wirklich gut vergleichbar sind, leben beide doch von der selben Quelle. Hier ist nicht von Geld die Rede, sondern von Aufmerksamkeit. Wenn genug davon erzeugt wird, steigen die Zugriffe automatisch und das Geld beginnt zu fließen. Das hat mittlerweile eine Eigendynamik angenommen, bei der Aufmerksamkeit als Ressource zählt. Zugriffszahlen, Likes, Shares, Kommentare und Retweets statt harter Währung. Da der kleine YouTuber den gleichen Zeitgeist wie das große Pressehaus auslebt, finden sich hier auch zahlreiche Ähnlichkeiten. Wir sind so in ein Zeitalter der Übertreibungen gestolpert. Um relevante Informationen in der Datenflut zu finden, die tagtäglich auf uns einprasselt, beginnen wir zu filtern. Wenn ein Medium uns nun eine praktisch aufgereihte Liste, die beste Variante von etwas oder eine bisher unbekannte Neuigkeit verspricht, beißen wir natürlich an.
Dass Superlative bei Klickbait ziemlich inflationär benutzt werden, ist eine naheliegende Entwicklung. Oft ist von den besten Vertretern des Themas die Rede, die angebotene Trivia ist unglaublich und hier sind drei wahre Fakten über Pinguine, die euer Leben verändern werden. Vor lauter Überstatements wird es oft schwer, die Content-Bäume im digitalen Wald zu sehen - wenn alles grandios ist, ist nichts grandios. Noch funktioniert diese Art der Übertreibung gut, zumal eine mögliche mangelnde inhaltliche Qualität durch die Menge der Inhalte kompensiert werden kann. Wenn ein Punkt der Top-10-Liste Blödsinn ist, kann der Konsument noch immer an neun Punkten Gefallen finden. Wenn ein Video floppt, gibt es am Folgetag das Nächste, in zwei Wochen ist der Reinfall vergessen. Was sich bewehrt kann in zukünftigen Veröffentlichungen recycled werden. Vielleicht werden wir irgendwann der standardmäßigen Übertreibung kollektiv überdrüssig. Ob wir uns dann in das Understatement flüchten und "Eine Sache, die ganz ok an Pinguinen ist" lesen, bleibt abzuwarten. Bis dahin gilt: Everything is awesome!