In Your Face Friday - Trololo

Am 1. April begegnet man Informationen mit viel Misstrauen. Statt sie für bare Münze zu nehmen, sehen wir sie durch die Paranoia-Brille. Nur ist dieser "Tag der Streiche" in Zeiten des Internets noch relevant oder haben Klickbait, Trolle und Satire-Seiten unsere Kommunikation so unterwandert, dass wir ohnehin jeden Artikel auf die Waagschale der Kritik legen müssen? Vielleicht ist unsere gesamte Kommunikation ja nur noch ein großer Scherz.

Falls ihr es noch nicht getan habt, werft heute (am 1. April 2016) einen Blick auf euren Facebook- oder Twitter-Feed, durchstöbert Reddit oder schaut auf ein paar Seiten wie thinkgeek.com oder die von World of Warcraft. Was ihr dort vielleicht gefunden habt, ist die neueste Ausprägung des ältesten Troll-Memes in Verwendung. Dabei ist gar nicht bekannt, wie der Aprilscherz zustande gekommen ist. Die Theorien zur Entstehung beinhalten ein falsches Date eines französischen Königs, der Geburtstag von Judas, nie stattgefundene Münzprägungen oder eine Verwirrung um den Jahresanfang (1. Jänner statt 1. April). Kurzum: Man weiß es nicht, es wird trotzdem gemacht. Weil Tradition. Im Endeffekt ist der Tag eine Möglichkeit, einfach und sicher einen Scherz zu machen. Das kulturelle Meme bringt alle Teilnehmer der Kultur auf den gleichen Wissensstand: Traue heute niemandem. Wer das verschwitzt, ist ein April-Narr. Doch diese seltene aber doch vorhandene Ausprägung unserer Kultur in Richtung Humor ist in Gefahr: Der Post-Strukturalismus hat wieder zugeschlagen. "Was ist mit der Post?" - ganz einfach: Wir leben in einer Zeit der Auflösung, was wir nicht zuletzt dem Internet schulden. Danke, Internet. Früher gab es das Fernsehprogramm, heute schauen wir was, wann und wo wir wollen via Streaming. Statt in ein Warenhaus zu gehen, tätigen wir unseren Einkauf via Amazon und lassen uns das Paket auf die Arbeit liefern. Alte Strukturen zerfallen und werden neu geordnet. Der Aprilscherz ist da keine Ausnahme.


Ein Blick auf unseren Informationsfluss zeigt, dass Aspekte des 1. April in andere Kommunikationsformen durchgesickert sind: Bei Klickbait borgt sich den sensationalistischen "Hook", der andernorts zu einer Pointe führt - hier eben zu einer Liste von 5 Dingen, die dein Leben verändern werden. Du kaum glauben, was Nummer 3 ist! Die Satire-Magazine borgen sich reale Formatvorlagen (Nachrichten in diesem Fall) und zeigen durch Fiktion und Übertreibung die Schwachstellen der Vorbilder auf. Ähnlich spielt der 1. April mit der Gutgläubigkeit der Menschen. Und Trolle haben ohnehin das ganze Jahr Hochsaison. Deren gezieltes Streuen von Desinformation hat auch einen Namen: Fnord, was keineswegs das gezielte Streuen von Desinformation bedeutet. Unabhängig davon, wo der Aprilscherz wohl hergekommen sein mag, seine Stellung ist durch diese zersetzenden Kräfte in Gefahr. Wozu einen "Scherz-Tag" machen, wenn das ganze Jahr über gescherzt wird und ich die Pointen sogar noch kurz vorm Schlafengehen auf meinem Smartphone mitbekommen kann? Das soziale Meme, die Institution des 1. April befindet sich in der Auflösung. Es würde mich nicht wundern, wenn die nächste Kohorte - also die nächste Generation unserer Gesellschaft - die Tradition als überholt und veraltet ansieht. Dem Start in den April wird es dann ähnlich wie dem Fasching gehen, der durch Änderungen im Ausgeh-Verhalten der jüngeren Generation langsam aber sicher zum Anachronismus wird. Traditionelle Rituale, zu denen der Fasching und der 1. April zählen, verlieren zunehmend Bedeutung, zumal ihre Inhalte durch die Auflösung nicht verloren gehen. Gefeiert wird heutzutage immer, nicht nur vor der Fastenzeit. Ähnlich könnte es dem Trollen gehen - schließlich ist ein einziger Tag pro Jahr viel zu wenig, um Blödsinn von sich zu geben. Und so könnte es geschehen, dass Trollen am 1. April viel zu klischeehaft wird und wir einen einzigen Tag pro Jahr haben, an dem wir alles ernst nehmen können.

Wie schaut das bei euch aus - hängt ihr am 1. April? Habt ihr heute schon einen erwähnenswerten Scherz entdeckt? Ab in die Kommentare damit!

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