Der Frühling kommt, und
Tux macht erst einmal
Urlaub! In der Zwischenzeit wacht
Tuz, ein tasmanischer Beutelwolf, über die Neuerungen in Kernel 2.6.29. Doch auch abseits von Linux finden sich neben KDE 4.2.2 und ersten Blaupausen für
GNOME 3.0 jede Menge interessante Neuigkeiten.
Nach nicht weniger als acht Release Candidates hat Linux 2.6.29 das Licht der Spiegelserver erblickt, und ist mittlerweile schon beim ersten Point-Release, 2.6.29.1, angelangt. Das prominenteste neue Feature ist das auch im Pinguin schon oft erwähnte
Kernel Mode Setting (KMS), das nun endlich in den Quellcode eingepflegt wurde. Allerdings benötigt KMS explizite Unterstützung durch den Grafiktreiber des X-Servers. Bis dato existiert ein solcher Treiber
nur für Grafikkarten des Herstellers Intel in stabiler Version, AMD/ATI-Grafikkarten sollen aber schon sehr bald nachziehen.
Aufregend ist auch die erstmalige Mainline-Verfügbarkeit von
btrfs, dem wohl zukunftsträchtigsten Linux-Dateisystem. Es ist allerdings noch
höchst experimentell, und folglich nur zum Benchmarken und für Dateisystem-Entwickler interessant. Macher von Live-CDs wie
Knoppix oder
SLAX werden erfreut sein, dass
SquashFS es nun auch in den Hauptentwicklungszweig geschafft hat. Nun ist kein manuelles Patchen mehr nötig, wenn man das stark komprimierende, aber nur Lesezugriffe unterstützende Dateisystem einsetzen möchte.
Kernel-Hacker
Rusty Russel hat es sich für diese Version von Linux zum Ziel gesetzt, die
Mehrprozessorunterstützung weiter zu verbessern. Das Resultat ist, dass Linux nun problemlos mit
bis zu 4096 CPUs umgehen kann. Freilich dürfte es für Endanwender abseits von Supercomputer-Rechenzentren noch die eine oder andere Dekade dauern, bis davon profitiert werden kann. Ebenso auf Systeme mit vielen, vielen Kernen zielen die Änderungen an den
RCU-Mechanismen ab. Für Otto Normalverbraucher nützlicher sind da schon der hinzugekommene
Access-Point-Modus für viele WiFi-Chipsets, oder etwa
Unterstützung von WiMAX-Geräten. Neu ist auch ein "
filesystem freeze"-Feature, das konsistente Backups ganzer Dateisysteme, die gerade gemountet sind, vereinfachen soll.
eCryptfs verschlüsselt nun auf Wunsch nicht nur die Inhalte, sondern auch die Namen von Dateien. Google-Ingenieure haben
Patches für ext4 zur Verfügung gestellt, sodass das Mitführen eines Journals abschaltbar wird. Dies bringt ein wenig mehr Performance in fast allen Anwendungsfällen, allerdings auf Kosten längerer Dauer von Filesystem Checks (fscks). Daneben gibt es die übliche
Lawine neuer Treiber, auch im zuletzt
etwas in Kritik geratenen Staging Tree.
Erstmalig in der Geschichte von Linux nimmt sich der freundliche Pinguin
Tux eine kleine Auszeit, und tritt seinen Posten als Sympathieträger für drei Monate befristet an
Tuz, einen tasmanischen Beutelwolf, ab. Mit
dieser Aktion will die Entwicklergemeinde auf eine mysteriöse Seuche unter dieser Tierart aufmerksam machen, die dadurch
vom Aussterben bedroht ist.
Das
Xorg-Projekt hat es endlich geschafft, Version 1.6 des X-Servers zu veröffentlichen. Auf Xorg, also jenes Softwarepaket, das den X-Server plus Bibliotheken, Treibern und Utilities beinhaltet, muss trotzdem noch gewartet werden. Täglich tröpfeln neue Release-Meldungen für wichtige Bestandteile auf die Xorg-Mailinglisten.
Mesa, das Hersztück aller freien, OpenGL in Hardware beschleunigenden Grafiktreiber, liegt nun in der fehlerbereinigten Version 7.4 vor. Für Version 7.5 ist mit einem durch Umstieg auf die Gallium3D-Architektur bedingten
Performanceschub zu rechnen - man darf gespannt sein!
Viel tut sich auch bei den Grafikkartentreibern:
Red Hat-Entwickler
Dave Airlie hat sich die Mühe gemacht, alle Treiber für
Radeon-Karten der Generationen von R200 (erstmals 2001 erschienen) bis R500 großteils zu reimplementieren, um
Unterstützung für KMS und den
Graphics Execution Manager (GEM) zu ermöglichen. Damit ist gewährleistet, dass auch ältere Hardware von den jüngsten Neuerungen im Xorg-Stack profitieren kann.
Intel hingegen lässt seine
Kunden zittern: In den Entwickler-Roadmaps ist nichts über geplanten KMS-Support für Grafikchipgenerationen vor dem G965 (Intel GMA X3000) zu finden. Bei
NVIDIA kümmert man sich um diese Entwicklungen überhaupt nicht, sondern braut weiter seine eigenen, leider proprietären Süppchen. Zuletzt veröffentlichte man bei NV
fast wöchentlich neue Beta-Treiber für Linux, Solaris und FreeBSD. Auch bei AMD/ATI tut sich an der Front des Closed-Source-Treiber
Catalyst einiges: Kurzerhand hat man mit Version 9.3 jegliche
Unterstützung für Chips bis hinauf zum R500 ersatzlos gestrichen. Nutzer einer solchen Grafikkarte sind nun auf den, auch dank seitens AMD/ATI bereitgestellter Hardware-Dokumentation,
qualitativ hochwertigen Open Source-Treiber "radeon" angewiesen. Die neue Fassung des
Catalyst bietet im Gegenzug
verbessertes OpenGL-Compositing, wodurch zum Beispiel die Videowiedergabe in 3D-Desktop-Umgebungen verbessert wird. Weiters veröffentlichte AMD/ATI
eine Bibliothek für Windows und Linux, die das standardisierte Auslesen vieler Grafikkarteneigenschaften (von hausgemachten Produkten) erlaubt.
Das
KDE-Projekt korrigiert mit
Version 4.2.2 einige Fehler der Vorgängerversion, während
GNOME pünktlich im Halbjahresrhythmus
Version 2.26 vorlegt. Auch
Xfce ist nach einiger Politur und einem schon sehr reif wirkenden Release Candidate bei der Final-Version von
Release 4.6 angelangt. Hier finden sich vor allem viele Änderungen unter der Haube, wie etwa ein völlig neues Konfigurations-Framework.
Der Release-Zyklus ist bei
Ubuntu eng an jenen von GNOME angelehnt. Deswegen überrascht es kaum, dass kurz nach GNOME 2.26 die
erste Beta-Version von Ubuntu 9.04 abgesegnet wurde. Die
Highlights der Software-Bestandteile sind KDE 4.2.1, GNOME 2.26, OpenOffice.org 3.0.1 und X.Org Server 1.6 auf Seiten des Desktops. Serverbetreiber dürfen sich über Apache 2.2, PostgreSQL 8.3, PHP 5.2.6 und das Linux Terminal Server Project in Version 5.1 freuen. Ebenfalls neu ist ein
dovecot-postfix-Metapaket, das eine schlüsselfertige Mailserver-Infrastruktur inklusive IMAP, POP, SMTP und Antispam-Lösung bieten soll. Vor allem Entwickler freuen sich über GCC 4.3.3, glibc 2.9 und Python 2.6.1. Als
Kernel kommt noch
2.6.28.8 zum Einsatz, da für 2.6.29 die Testphase als nicht ausreichend erachtet wurde. Viel Mühe hat man sich bei Canonical gegeben, um die Bootzeit von Ubuntu 9.04 zu optimieren. Und es hat sich gelohnt: Einige Berichte im Netz sprechen von einem rund
30% kürzeren Startvorgang. Ebenfalls neu ist eine Infrastruktur namens
Eucalyptus, die Ubuntu-Nutzern Zugang zu verschiedenen
Cloud Computing-Lösungen bieten soll.
Doch auch andere Distributoren schlafen nicht: Novell etwa
veröffentlicht SUSE Linux Enterprise 11 in Varianten für Desktops und Server. Der schlank-kompakte, auf Slackware basierende Distro-Geheimtipp
Zenwalk bringt
Version 6.0 hervor und ist nun auch mit GNOME statt Xfce als Desktop verfügbar. Wer sich noch einmal mit der vielversprechenden, aber leider ewig verzögerten Desktop-Umgebung
Enlightenment auseinandersetzen will, kann dies mit einer neuen Version der von CD direkt in den Desktop bootenden
Elive tun.
Voice over IP und im speziellen
Asterisk interessierte Nutzer möchten vielleicht einen Blick auf die
neue Beta-Version von trixbox werfen. Einiges Aufsehen hat in jüngster Vergangenheit die Distribution
Tiny Core Linux erregt. Diese schafft es, einen
vollen graphischen Desktop in ein zehn Megabyte großes ISO-Image zu stopfen.
Bei den Anwendungen ist diesmal die neue Major-
Version 3.1.0 von
lm_sensors zu erwähnen. Durch einige Verbesserungen unter der Haube der Konfigurationsskripte wird die automatische Identifikation der
Hardware-Sensoren für Temperatur und Spannung ein gutes Stück zuverlässiger. Der Windows-API-Wrapper
WINE bringt in Version 1.1.18 unter anderem viele
Code-Cleanups für den Direct3D-Übersetzungscode.
libburnia ist eine Sammlung von Programmbibliotheken und Frontends für all jene, die die altgedienten und wegen ihrer fragwürdigen Lizenz (zum Beispiel bei
Debian) in Verruf geratenen
cdrtools ersetzen wollen. Die neue Version bietet
bessere Unterstützung zum Beschreiben von Blu-Ray-Medien. Wer kennt nicht
Pidgin, vormals GAIM, den populärer Multi-Protokoll-Messenger? In
Version 2.5.5 tummeln sich viele kleine Bugfixes, die das ohnehin stabile Programm noch runder laufen lassen. Von diesen Verbesserungen profitieren auch Nutzer von
Microsoft Windows und
Apple OS X, da Pidgin auch auf diesen Plattformen verfügbar ist. Wer Bürosoftware-Schwergewichte wie
OpenOffice.org oder
KOffice lieber meidet und stattdessen auf
ressourcenschonendere Alternativen setzt, sollte mehr als einen Blick auf die Textverarbeitung
AbiWord werfen. Das
Changelog gibt detaillierte Auskünfte über die Verbesserungen in Version 2.6.8. Und auch die Macher proprietärer Software schlafen nicht:
Opera Software hat die fehlerbereinigte Version 9.64 ihres Webbrowsers
Opera veröffentlicht. Das Programm ist zwar
gratis erhältlich, sein Quellcode allerdings nicht offengelegt.
Weitere Neuigkeiten kurz gefasst:- "Big Blue" IBM überlegt(e), Sun Microsystems aufzukaufen
- Der traditionsreiche UNIX-Vendor SGI, verantwortlich für IRIX und auch OpenGL, wird für 25 Millionen US$ an den Konkurrenten Rackable verkauft
- OpenOffice.org liefert einen Release Candidate für Version 3.1.0 aus
- Das VideoLAN-Projekt stellt Version 0.9.9 des beliebten Multimedia-Alleskönners VLC fertig
- Mozilla überlegt die Einstellung der Kalenderanwendung Sunbird zugunsten des Thunderbird-AddOns Lightning
- FICs OpenMoko-Projekt entlässt etwa die Hälfte der Belegschaft und stellt die Entwicklung weiterer Smartphones vorerst ein
- Die Linux Foundation übernimmt die Federführung in der von Intel gestarteten Moblin-Initiative
- Bei GNOME lässt man mit einem Zeitplan bis zur Version 3.0 aufhorchen
- die GNU Compiler Collection ebnet mit einer stellenweise hitzig diskutierten Lizenzänderung den Weg für eine Plugin-Architektur ab Release 4.5
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