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In Your Face Friday - Mediales Grundrauschen

karlstiefel 11.01.2013 13938 22
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Hört ihr es? Es ist ganz leise im Hintergrund, aber es ist immer da - das Grundrauschen. Nein, ich rede nicht von der Reststrahlung des Urknalls, sondern von unserer Medienkultur. Wir konsumieren immer. Quasi ohne Unterbrechung füllen wir unser Leben mit Musik, Literatur und audiovisuellen Medien. Überfordert sind wir trotzdem nicht.

In den vergangenen Jahren gab es quasi keinen Zeitpunkt, an dem kein Vollpreis-Spiel auf meinem Rechner installiert war oder an dem ich keinen Free2Play-Titel gespielt habe. Stets gab es ein “mediales Grundrauschen” in meinem Leben. Das mag nun eine Berufskrankheit sein, schreibe ich doch über Spiele und bin daher gezwungen (ich Armer), zu zocken. Aber ich bin mit Sicherheit nicht alleine - wir alle haben doch diese Liste an Spielen, die wir noch durchkriegen wollen. Leider wird dieser Stapel oft immer höher und höher. Auch jenseits von Spielen ist dieses Phänomen sichtbar - während ich zocke, liest ein anderer stets ein Buch und die Meisten haben gerade eine Serie, die sie verfolgen. Mein Vater ist da ein Sonderfall - zum Vor- und Hauptabendprogramm zappt er gerne durch das Fernsehprogramm. Ohne Sendung als Ziel, mit abgeschaltetem Ton genießt er die visuellen Reize der flachen Flimmerkiste. Findet er eine Geschichts-Doku (er ist Historiker), so wird Fernsehen wieder zu einem audiovisuellen Medium und das Zapping hat ein Ende. Ihn interessieren weniger die Inhalte, als nur einer der Aspekte des Fernsehens: bunte Bilder.
Nicht anders ist es bei vielen Arbeitsplätzen, wo als Hintergrundgeräusch das Radio läuft. Das dürfte in 90% aller Büros wohl Ö3 sein. Dementsprechend ist auch das Sendeprogramm gestaltet: Jede halbe Stunde gibt es Nachrichten, dazwischen leicht hörbare Popmusik. Dass der Chef der Ö3 Musikredaktion ein FM4-Fan ist, merkt man an den dazwischengestreuten Perlen. Dennoch verdient der heimische Radiosender die Bezeichnung “Dudelfunk”. Inhalte werden ausblendbar, Werbung wird akzeptiert und der Abschaltimpuls des Zuhörers wird minimiert. Was bleibt, ist ein Hintergrundgeräusch.

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Radio im Büro, sinnbildliche Darstellung.


Diesen “Luxus” können wir uns wegen dem massiven Überangebot gönnen. Medien sind keine Mangelware und heute so einfach erhältlich wie noch nie. Der Roman als Unterhaltungsliteratur für eine breite Masse (an wohlhabenden Leuten) konnte sich erst im 18. Jahrhundert entwickeln. Damals wurden Bücher von einem kostbaren Speichermedium zu einer verfügbaren und vielseitigen Unterhaltungsform. Musik war lange auf Live-Konzerte beschränkt, bis zunächst mit Schallzylindern Aufnahmen von Stücken möglich waren. Durch die Weiterentwicklung von Speicher-, Wiedergabe- und Sendemedien ergaben sich neue Märkte. Dadurch entwickelten sich neue Käuferschichten mit Spezialinteressen - Nischenmärkte entwickelten sich und wurden prompt gefüllt. Statt den Liedern von Wanderbarden gab es plötzlich Jazz, Blues, später dann Rock, Hip Hop, Pop und Elektro. Das Angebot blühte auf und überschwemmte den Markt. Heute ist es schwer zu sagen, was für Musik aktuell beliebt ist - zwar haben beide, Ö3 und FM4 ihre eigenen Charts doch könnten diese kaum unterschiedlicher sein. Wenn man den Verkaufszahlen der Alben glauben schenkt, ist in Österreich die Schlagersängerin Helene Fischer gerade sehr beliebt. Ihr habt sicher auch alle ihr Live-Album zu Weihnachten bekommen.

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Wer nicht auf Helene Fischer steht, freut sich über das Alternativangebot. (Im Bild: A Day To Remember)


Aber weg von den Schlagerbarden und zurück zum Grundrauschen - dieses ist nur durch das mediale Überangebot möglich. Wir haben den Luxus, eine Auswahl unserem Geschmack entsprechend treffen zu können. Die angebotene Diversifikation überfordert uns nicht, sondern bietet uns die Möglichkeit, eine eigene “Playlist” zusammen zu stellen. Dieser “Soundtrack unseres Lebens” besteht nicht nur aus Musik, sondern aus allen möglichen Medien. Dabei sind wir unheimlich flexibel - wenn uns nach moderner oder klassischer Kunst ist, gehen wir ins Museum. Wollen wir ein Lied hören, schauen wir auf iTunes, Spotify oder YouTube. Neuer Lesestoff wird gebraucht? Innerhalb von wenigen Minuten haben wir ihn auf unserem eBook! Und wenn im Fernsehen oder Radio nur Schrott läuft, schalten wir es ab und drehen den MP3-Player auf. Wir haben (bis zu einem gewissen Ausmaß) die Kontrolle über unseren Medienkonsum. Der schönste Soundtrack unseres Lebens ist halt doch das Rauschen.
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