Eineinhalb Jahre ist es her, dass der letzte In Your Face Friday erschienen ist. Der Allerletzte. Danach war Ende, um Platz für das oc.at Radio zu machen. Das läuft - so halbwegs. Jetzt gerade halt nicht, Dominik (master_burn) und ich haben gerade viel um die Ohren. Fortbildungen und Wohnungsumbau bei ihm, ein neuer Job und ein Umzug bei mir. Damit euch nicht fad wird, mache ich dem Ende ein Ende und schreibe hiermit den
wirklich aller letzten IYFF. Dieses mal bestimmt, 100%ig und fix. Oder so.
Wir, als Medienschaffende, haben ein seltsames Verhältnis zum Timing unserer Kreativität. Das habe ich bereits mehrfach direkt zu spüren bekommen. Einerseits haben wir eine gewisse Verantwortung euch gegenüber - ihr sollt gewohnt guten Inhalt zur gewohnt regelmäßigen Zeit im gewohnten Format erhalten. Das habe ich mit dem IYFF einige Jahre durchgezogen, darauf bin ich ein bisschen stolz. Auf der anderen Seite möchten wir euch nicht mit mittelmäßigem Füllmaterial zuspammen, sondern jede Produktion soll unterhaltsam sein und von Herzen kommen. Das funktioniert nicht immer regelmäßig: Mal kommt man einfach nicht in den kreativen Modus, mal hat man privat zu viel um die Ohren und mal schafft man etwas, nur um danach festzustellen, dass man es nicht auf die Welt loslassen möchte.
Dabei ist die Regelmäßigkeit doch so wichtig. Wenn ihr euch den Upload-Plan von einem 08/15-YouTuber anschaut, dann werdet ihr das Muster schnell sehen. Tägliche Folgen, wöchentliche Formate, Filmchen in Häppchen-Länge. Das füttert den YouTube-Algorithmus, die Videos landen bei den Empfehlungen, mehr Zuschauer klicken drauf. Neu ist das aber nicht. Was heute standardmäßig täglich erfolgt, erschien früher (tm) halt in geringerem Umfang täglich oder wöchentlich. Zeitungen, Magazine, Fernsehformate. Digitale Medien haben nur beschleunigt, was ohnehin schon da war. Und selbst das ist auch nur eine Ausprägung vom Gewohnheitstier Mensch. Wir sind auf regelmäßige Muster geprägt. Tag und Nacht wechseln sich ab, der Mond macht etwa ein Mal im Monat eine runde und die Jahreszeiten geben sich die Klinke in die Hand und wir nennen das ein Jahr. Egal ob Jäger und Sammler, die sich vor den nachtaktiven Raubtieren schützen wollen oder siedelnde Landwirte, die auf die Ernte warten - Regelmäßigkeit ist mehr als gesellschaftlich verankert. Es ist ein Antriebsmotor der Evolution selbst. Kein Wunder also, dass wir unser tägliches YouTube-Video so mögen.
Ein kleiner Vorgeschmack auf die kommende Folge vom oc.at Radio. Aber nach einem beherzten Griff in die Plattitüden-Kiste ist klar: Gut Ding will Weile haben. Denn auch Zeit ist eine Zutat und manchmal braucht es halt mehr davon. Der Philosoph und begnadeter Eishockey-Spieler Immanuel Kant (eines von den beiden habe ich frei erfunden) hat zum Beispiel mal eine zehnjährige Auszeit genommen, weil ihn gewurmt hat, dass die Sprache selbst das Denken beschränkt. Herausgekommen ist das Buch "Kritik der reinen Vernunft", in dem er darüber und über die Entenzucht (wieder eines frei erfunden) schreibt. Das lesen die Leute noch heute also so schlecht kann es nicht sein. Seine Auszeit dürfte sich somit ausgezahlt haben.
Auch das Broadbalk-Experiment lobe ich mir da. Sagt euch nichts? Kein Wunder, hat schließlich 1842 angefangen, als Kunstdünger noch der heiße Scheiß war. Die britischen Chemiker Sir John Bennet Lawes und Joseph Henry Gilbert haben damals im schönen Hertfordshire, gleich nördlich von London, das erste Experiment mit Superphosphat - besagtem Kunstdünger - angefangen. Auf Feldern wurde seither künstlich und natürlich gedüngt und eine Seite ohne jegliche Wachstumshilfe bestellt. Um ganz sicher zu gehen, dass es sich bei den Ergebnissen von diesem Experiment nicht um zufällige Werte handelt, läuft es seit über 170 Jahren. Mittlerweile halt eher um die Gründer der ersten Kunstdünger-Fabrik zu ehren aber sicher ist sicher. Das Resultat dürfte übrigens kaum überraschen: künstlich und gedüngte Felder liefern 6 Tonnen Getreide pro Hektar, ungedüngte hingegen nur eine Tonne.
Auf so etwas Ähnliches bloß halt ein bisschen schneller hoffen master_burn und ich auch. Schön wäre es, wenn man oc.at Radio noch in 230 Jahren hört, zumal wir nach der gewählten Zwangspause wieder ordentlich losstarten möchten. Da in Dominiks Wohnung ein eigenes Podcast-Zimmer eingerichtet wird (brauchst es gar nicht leugnen!), werden unsere Sendungen in Zukunft noch einfacher zu produzieren sein. Kein Her- und Wegräumen, kein Wohnzimmertisch-Casten, sondern ein semiprofessionelles Studio. Geil. Es kommt noch besser: die nächste Folge haben wir nämlich schon im Kasten. Muss "nur noch" bearbeitet, geschnitten und hochgeladen werden. Wenn wir dazu halt mal kommen. Um schon mal ein bisschen zu teasen, verrate ich, dass wir nicht vom Wohnzimmertisch gesendet haben, sondern unterwegs waren. oc.at Radio in Gefahr quasi. Ihr dürft jetzt mutmaßen, was wir wohl gemacht haben.
So, das waren jetzt ein paar Zeilen über den Kuss der Muse, kantige Philosophen und die Wohnsituation meines Mitmoderatoren. Ich hoffe, dass der letzte IYFF schon lange genug her ist, um ein bisschen Retro-Gefühle auszulösen und die Gedanken geordnet genug waren um zu informieren und verwirrt genug um zu unterhalten. Genug gelesen, bald hört ihr uns wieder.
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