"Christmas - the time to fix the computers of your loved ones" « Lord Wyrm

In Your Face Friday #17

karlstiefel 01.07.2011 16598 11
click to enlarge
"Ich auch!", schreien sie, kopieren ein beliebtes Produkt und wollen damit Geld machen. Mediale Trittbrettfahrer gibt es überall – vom billigen C-Movie bis zur Internet-Gottheit Google. Aber kann der Abklatsch vielleicht sogar besser sein als das Original?

Ich möchte euch ein Filmstudio vorstellen. Es heißt "The Asylum" (frei übersetzt "Die Irrenanstalt") und produziert billige Ripoffs von beliebten Hollywood-Filmen. Darunter grandiose Titel wie The Davinci Treasure (inspiriert von The Da Vinci Code), Transmorphers (mit den Transformers als Vorbild) und mein persönlicher Liebling Sir Arthur Conan Doyle's Sherlock Holmes, der – im Gegensatz zum Original-Film von 2009 – mit Dinosauriern und Drachen auftrumpfen kann. Ich wünschte, ich würde das gerade erfinden. Aktueller Hit des Low-Budget Studios ist Almighty Thor - wo da abgeschaut wurde, dürfte ziemlich klar sein. Alles was diese Filmschmiede produziert, sind billige Kopien von bekannten Filmen. Durch geschickte Änderungen von Titeln und dem Inhalt umgehen sie prekäre Urheberrechtsklagen. Werbung müssen sie für ihre Meisterwerke nicht machen, denn das erledigen schließlich die echten Vorbilder. Sogar der bisher größte Erfolg des Studios ist auf diese dreiste Masche zurückzuführen: 2005 arbeitet Regisseur und Firmengründer David Michael Latt an einer Verfilmung vom H.G. Wells Klassiker Krieg der Welten. Mehr oder weniger zufällig arbeitet ein gewisser Steven Spielberg ebenfalls am gleichen Material. Beide Filme kommen in die Kinos, der eine mehr und der andere weniger erfolgreich - ihr könnt euch wohl denken, welcher welcher ist. Die amerikanische Videotheken-Kette Blockbuster Video möchte daraufhin einige Monate später ganze 100.000 DVDs vom Spielberg-Film bestellen, doch irrt sich und holt die Asylum-Produktion an Bord ...

click to enlarge
Seid ihr bereit für einen göttlichen Trash-Faktor?


Schauen wir angesichts dieses Themas mal wieder bei der Spiele-Branche vorbei. Blizzard Entertainment feiert ja aktuell das zwanzigjährige Bestehen. Das Studio hat uns den eSport und Volkssport in Südkorea StarCraft geliefert. Der französische Publisher Gameloft nahm den zweiten Teil der RTS-Serie als Anlass, ein etwas anderes Geburtstagsgeschenk zu liefern. Es heißt Starfront: Collision und ist ein StarCraft 2-Klon für das iPad. Blizzard gefällt das nicht und verklagt Gameloft (das sollte ich auch mal tun, wenn mir ein Geschenk nicht gefällt), bloß ist das den Franzosen ziemlich egal und das Spiel kommt trotzdem in den App-Store. Wie beim großen Bruder gibt es eine menschliche Fraktion, eine organisch anmutende Rasse und eine technologisch hoch entwickelte Alien-Spezies. Zwar besitze ich kein eigenes iPad, doch konnte ich den Titel neulich erst anspielen ... und ihr werdet es kaum glauben: Es macht Spaß! Natürlich wird die strategische Tiefe von StarCraft nicht erreicht, doch kommt man hier auch ohne Buildorders aus. Ein Strategiespiel mit dem Touchscreen zu steuern geht erstaunlich gut von der Hand, das Design stimmt und das Gameplay ist auch ganz ordentlich. Eigentlich ist Starfront: Collision ein richtig gutes Spiel und müsste sich gar nicht hinter einem anderen Franchise verstecken.

click to enlarge
Nur weil es nicht innovativ ist, muss es nicht schlecht sein: Starfront: Collision von Gameloft


Bleiben wir beim geliebten Computer, wenden uns aber Google zu. Die programmieren zwar keine StarCraft-Klone, machen sich des „Ich auch!“-Verhaltens allerdings schon desöfteren mehr als schuldig. Normalerweise kopiert Google ja nicht wirklich ... nein, wenn ihnen eine Idee gefällt, kaufen sie kurzerhand den Urheber auf. Das ist allerdings schwer, wenn sie nicht gerade 100 Milliarden Dollar zur Verfügung haben, um Facebook in die Tasche zu stecken. Darum gibt es jetzt Google+, ein weiteres soziales Netzwerk. Und spätestens hier stelle ich mir wirklich die Frage, ob wir tatsächlich noch mehr davon brauchen. Hätten sie nicht einfach günstig zum alternden Myspace greifen können? Die gibt es jetzt zum halben Preis um schlappe 30 Millionen Dollar.

Aber zurück zum Thema – Google kopiert. Und das in einem Markt, der ohnehin stark übersättigt ist. Denn umso mehr Netzwerke es gibt, desto weniger machen diese noch Sinn. So wie es vor vielen Jahren bei den Instant Messengern schon passiert ist ... noch bevor ICQ es durch die aufdringliche Werbung verschissen hat. Und bevor man täglich 5x von einem Spambot auf russisch Kontaktanfragen erhält. Doch auch in diesem Sektor hat sich die Spreu vom Weizen getrennt und entweder die Leute haben zu All-In-One-Messengern wie Trillian gegriffen oder sind auf die sinnvollsten Alternativen umgestiegen, also Jabber. In etwa so stelle ich mir die Zukunft von sozialen Netzwerken ebenso vor: Facebook macht etwas falsch - *hust* verdammte Umfragen *hust* spammende Einladungen für Casual-Spiele *hust* zu wenig Transparenz bei der Privatspähre *hust* - und eine schöne Alternative empfängt die Nutzer mit offenen Armen. Die Idee hinter dem Einstieg in die hart umkämpfte Welt der sozialen Netzwerke ist also sicher kein unüberlegter Schritt. Doch eines sollte klar sein: Das Original "Facebook" wird nicht so schnell weichen.

Webcomic von xkcd.com
Der Webcomic xkcd trifft es eigentlich ganz gut.


Also, was haben wir von den medialen Generika? Sind sie billiger? Meistens ja. Sind sie besser? Auf gar keinen Fall, denn die meisten Kopien sind sogar ziemlich schlecht. Erfüllen sie ihren Zweck? Ja! Und genau darum sind sie auch oft erfolgreich. Ich kann mir einen Asylum-Film anschauen und bin teils besser unterhalten als beim Original. Lang lebe der Trash-Faktor. Ich habe Spaß beim Basis- und Einheitenbau und ich kann Leute genauso gut auf Google+ wie auf Facebook stalken. Innovation und Qualität sind also nicht immer die Verkaufsargumente schlechthin. Nein, im Endeffekt entscheidet der Markt über deren Erfolg und zukünftiges Bestehen. Und das sind wir!
Kontakt | Unser Forum | Über overclockers.at | Impressum | Datenschutz