Ein Vergleich, sie alle zu bashen, sie alle zu flamen, in nerdrage zu treiben und ewig zu trollen. Diskussionen im Internet nehmen dank dem Deckmantel der Anonymität auch schon mal einen unschönen Kurs. Dann wird gestritten statt diskutiert und Beleidigungen werden verteilt wie Schlüsselbänder bei Messen. Und dann gibt es die eine Beleidigung, den einen Vergleich, durch den sogar die
Gesetze des Internets neu geschrieben wurden ...
Ich sag's jetzt einfach mal: Wer meine IYFFs nicht mag, ist
schlimmer als Hitler. An diesem Punkt könnte ich eigentlich schon aufhören zu schreiben, denn laut Godwin's Law ist jeder Thread, jede Diskussion und jeder Streit vorbei und wurde ohnehin zu lange geführt, sobald der Vergleich mit dem pinselbärtigen Schreckgespenst gezogen wird. Der Diktator dient dabei in zweierlei Hinsicht als Degradierung des Gegenübers: Einerseits werden dem Ziel des Vergleichs schlimmere Taten als die Hitlers angedichtet, andererseits gibt der zeitgemäße Kontext der historischen Figur den Angesprochenen auch der Lächerlichkeit preis. Ein kleiner, herumschreiender Choleriker und nicht mehr. Eigentlich eine spitzen Beleidigung - du bist ein lächerliches Monster.
Das Ganze hat sogar einen Namen:
Godwin's Law. Der Namengebende Mike Godwin hat das Internet-Gesetz 1990 geprägt. Vorbild dafür war Murphy's Law - was schief gehen kann, geht auch schief. In Godwin's Fall war es jedoch weniger ein Meme an sich, viel mehr die Reaktion auf eines. Durch die Erklärung "die Diskussion ist beendet", wird es sogar zu einem
Anti-Meme. Wichtig dabei zu erwähnen ist, dass damals noch nicht über digitale Gemeinschaften wie Facebook oder Twitter gesprochen wurde, sondern das usenet im Fokus stand.
Damit es nicht nur bei einer Gesetzmäßigkeit bleibt, sondern gleich ein ganzes System aufgebaut wird, kamen mehrere Ergänzungen zu Godwin's Law hinzu. In diversen Korollaren (Zusätzen), wird unter anderem besagt, dass die Erwähnung von Homosexualität ein hervorragender Katalysator für Nazi-Vergleiche ist, die Anzahl dieser durch die globale Vernetzung steigt und dass durch eine solche Erwähnung auch über Godwin's Law diskutiert wird. Willkommen beim
Meta-Meme.
Katzenbilder in einem IYFF über Hitler-Vergleiche? Kein Problem! Aber wozu das Ganze? Warum hat sich vor mittlerweile 26 Jahren eine Community die Mühe gemacht und einen Witz aus einer Beleidigung gemacht? Weil es sich nicht nur um irgendeine handelt, es ist DIE Beleidigung. "Schlimmer als Hitler" ist die dickste Keule, die man als Netzbürger ohne großen Aufwand auspacken kann. Man muss nichts über sein Gegenüber wissen, es benötigt keine Finesse, jeder versteht es und es ist schwer zu überbieten. Quasi die
nukulare Option als Standard-Vorgehen. Damit das nicht die Runde macht und nicht der Angesprochene, sondern der Urheber des in 100 Prozent aller Fälle hinkenden Vergleichs diskreditiert wird, wurde die Gesetzmäßigkeit geschaffen. Damit hätten wir ein schönes Beispiel von "social engeneering" in einer digitalen Gemeinschaft: Durch ein Meme werden die Rollen vertauscht, die Aggression wird auf den Aggressor zurückgeleitet.
Diese elegante Lösung ist im Endeffekt eine Abkürzung. Statt die ohnehin kaputte Diskussion weiter den Bach hinunter gehen zu lassen, wird sie einfach beendet. Die "Gesetzmäßigkeit" von Godwin stellt sicher, dass die Gemeinschaft des entsprechenden Mediums einfach nicht mehr an dem Gespräch teilnimmt. Dem Feuer wird der Treibstoff entzogen. Außerdem wird der Urheber des hinkenden Vergleichs diskreditiert, statt ihm die Diskreditierung seines Gegenübers zu ermöglichen. Problem gelöst. Hier sehen wir, wie man unangenehmes Verhalten nicht mittels Verbote, sondern via sozialer Dynamik verhindern kann. Statt "das darfst du nicht" von einer Person (Mod des Forums zum Beispiel) zu hören, sagen einem alle Kommunikationspartner "das darfst du zwar, dann bist du aber ein Depp". Im Idealfall wird so ein
selbstregulierendes System etabliert. Und zum Schmunzeln gibt's auch noch was.
Intro-Bild von Marianne O'Leary, verwendet unter Creative Commons Bedingungen.
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