"Sie sind hier", weist der kleine rote Punkt hin. Noch. Gleich begeben wir uns nämlich in die wunderbare Welt der
Landkarten. Während früher die Orientierung noch Gold wert war, erhalten wir heutzutage nämlich wesentlich mehr Informationen als nur unseren Standort durch das Lesen einer Karte. Wer hat's erfunden? Die Videospiele! Aber eines nach dem anderen, wir wollen uns ja in dem Thema nicht verlaufen.
Macht bitte Google Maps oder ein Kartographie-Programm eurer Wahl auf. Sucht nach "Catalhöyük", das liegt in der Türkei. Gratuliere, ihr habt gerade modernste Landkarten-Technologie mit ihren Ursprüngen verbunden. In dem Dörfchen wurde in den 60er Jahren nämlich eine Wandmalerei entdeckt, die zwischen 7.400 und 6.200 vor unserer Zeitrechnung datiert wurde. Darauf zu sehen sind die Häuser der jungsteinzeitlichen Siedlung, welche damals von etwa 2.500 Menschen bewohnt wurde. Es handelt sich dabei um den
ältesten bekannten Stadtplan. Wesentlich portabler war bereits die 2.500 Jahre alte Steintafel, die in Sippar (Irak) gefunden wurde. Darauf ist die historische Stadt Babylon zu sehen, welche von Bergen und Wasserflächen umgeben ist. Da es entsprechend schwer ist eine Steintafel zu patchen, ist diese nicht ganz korrekte Darstellung des babylonischen Reiches bis heute erhalten. Seither hat sich bei den Landkarten viel getan. Im römischen Reich wurden Straßenkarten angefertigt, die vom späten vierten Jahrhundert bis zu den Zeiten der Kreuzzüge aktualisiert wurden. Um 1300 wurden bereits ganze
Atlanten mit Kartenschnipseln und Beschreibungen gefüllt - genug, um die damals bekannte Welt der Europäer zu beschreiben. Nach dem Mittelalter angefertigte Weltkarten lassen - sofern die damals neuen Kontinente Amerika und Australien bereits hinzugefügt wurden - bereits die uns bekannte Formation der Kontinente erahnen. Durch eine Kombination aus Entdecker- und Eroberungsgeist mit sorgfältiger Dokumentation wurden Schritt für Schritt die Karten genauer und präziser. Was früher für
Seeleute, Feldherren und Stadtverwalter relevant war, wurde mehr und mehr zur Darstellung der Welt, auf der wir leben. Die oft subjektiven und politisch gefärbten Karten erhielten spätestens durch die Vermessung aus der Luft via Flugzeug und Satellit Konkurrenz. Ganz werden wir das nie aus dem System kriegen - auch bei Google Maps gibt es noch verschwommene Flecken, wo militärische Operationen beheimatet sind. Generell lässt sich aber behaupten, dass uns eine doch recht vollständige, wenn auch manchmal nicht ganz so hochauflösende Darstellung der Welt zur Verfügung steht.
Zwei Karten, die mein Zockerherz auswendig kennt. Preisfrage: Aus welchen Spielen sind sie?Jetzt stellt sich die Frage: Was stellen wir damit an? Die offensichtliche Anwendung wäre es, festzustellen, wo man sich befindet (Punkt A), ein Ziel zu lokalisieren (Punkt B) und auf einem geplanten Weg dort hin zu kommen. Karten können aber wesentlich mehr, als von A nach B und am Wochenende nach C zu führen. Da wir Landkarten mittlerweile nicht einmal mehr am Navigationsgerät, sondern auf unserem Smartphone öffnen können, haben die "analogen" Karten wohl endgültig den Kürzeren gezogen. Natürlich, wenn man durch die Wildnis wandert, keinen Empfang hat und die nächste Steckdose mehrere Tagesmärsche weit entfernt ist, greift man lieber auf eine klassische Faltkarte zurück. Der breitere Anwendungsbereich spielt sich aber mittlerweile elektronisch ab. Dementsprechend hoch kann auch die
Datenmenge sein, zumal entsprechende
Filteroptionen die dargestellten Ausschnitte nicht überfüllt und den Anwender so überfordert. Durch Signale von Android-Geräten kann Google beispielsweise die Verkehrsdichte berechnen - eine Information die erst dann gezeigt wird, wenn man eine Route entlang der betroffenen Straße plant. Wenn man eine Bar sucht, werden Lokale in der Nähe angezeigt. Während früher Karten immer mehr Informationen enthielten, ja ganze Atlanten mit unterschiedlichen Versionen der gleichen Landstriche gefüllt wurden, kommt heute weniger auf das Display. Dank der digitalen Darstellung lassen sich Details erst einblenden, wenn notwendig. Statt der Größe wurde die Qualität der Anwendung von Landkarten gespeichert. Sonst würden viele Karten aussehen wie die der
indischen Aksai Chin Region, welche man beim chinesischen Städtchen Huangyangtan findet. Die topographische Karte des in den 60ern umkämpften Landstriches ist 900 Meter lang und 700 Meter breit - somit die größte Vertreterin ihrer Art. Der Beweis, wie viel Aufwand betrieben wurde bevor es einen Zoom gab, stammt aus den 90er Jahren und wurde als Teil einer Trainingsanlage für Panzerfahrer errichtet.
Die Aksai Chin Region wurde für militärische Zwecke im Maßstab 500:1 abgebildet.Bevor wir die Welt mit unseren Fingerspitzen drehen konnten, gab es jedoch bereits digitale Karten - bloß meistens nicht von unserer Welt. In Computerspielen hatten die Orientierungshilfen seit langer Zeit einen fixen Platz. Wer mit
The Legend of Zelda: A Link between Worlds oder einem beliebigen
Final Fantasy Teil aufgewachsen ist, kannte die Darstellung von Landkarten auf Bildschirmen bereits. Nicht durchgesetzt hat sich die schräge Ansicht auf die Gebiete. Google Maps hat halt kein
Mode 7. Die Entwickler der Spiele standen lange vor anderen Softwareentwicklern vor der Herausforderung, wie die richtige Informationsmenge in einer "Oberwelt" untergebracht werden kann. Einen Vorteil hatten die Spielemacher: Sie konnten die Welt und die Karte aufeinander anpassen. Bei "echten" Weltkarten gibt es eine reale Vorlage, die möglichst authentisch abgebildet werden soll. Von der Benutzerperspektive aus war die Umstellung vom Fiktiven zum Realen jedoch nur minimal. Wieder ein Mal können wir an diesem breit gefächerten Beispiel eine gängige Entwicklung von Technologie sehen: Der Wandel vom
Primitiven über das
Komplexe hin zum
Einfachen. Von der Wandzeichnung über die chinesische Monster-Karte zum Smartphone. Nur leider kann man sich beim Navigieren auf dem Bildschirm nicht wie Godzilla fühlen. Aber das kann ja noch reingepatcht werden.
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