Bei Let's Plays wird das Zocken zum Zuschauersport gemacht. Digitale Freunde spielen statt einem selbst - fast wie früher, als wir unseren Kumpels über die Schulter geschaut haben. Aber wie kann ein Video-Genre, das doch eigentlich nur fremde Inhalte zeigt, so beliebt und erfolgreich werden? Und was ist diese Form der Unterhaltung wert? Der In Your Face Friday lässt sich das mal genauer anschauen.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich bei meinem besten Freund in der Volksschule die Nachmittage verbracht habe: Vor dem Fernseher. Nach einer Folge Tom Turbo haben wir SNES gezockt. Also, er hat gezockt. Super Mario World, Terranigma - digitale Welten wurden von ihm als Spieler und von mir als begeisterten Zuschauer gerockt. Später, als wir älter wurden, behielten wir unsere Tradition bei. Statt dem zweirädrigen Detektiv mit 101 Tricks schauten wir Actionfilme mit Arnold Schwarzenegger, der Super Nintendo wurde gegen eine PlayStation getauscht. Die Begeisterung blieb gleich, als mein Freund Metal Gear Solid und Resident Evil 2 in Rekordzeit durchzockte. Heute sehe ich ihn nicht mehr, wir haben uns auseinandergelebt. Was bleibt sind viele schöne Erinnerungen und der Spaß daran, anderen Leuten beim Zocken zuzuschauen.
Es ist nicht so, als ob ich nie selbst Spieler 1 gewesen wäre. Seit meiner Kindheit zocke ich liebend gerne. Genau so kann ich es aber auch genießen, den Controller aus der Hand zu geben und jemand anderem bei Spielen zuzusehen. Heute finde ich eine ähnliche Zuschauersituation auf YouTube. Bei Let's Plays - also kommentierte Videos von Spielen - kommt es zur Imitation vom gemeinsamen Zocken. So, wie Emails den aus der Mode gekommenen Briefverkehr nachmachen und verbessern oder wie Facebook den größenwahnsinnigen Versuch wagt, menschliche Interaktion auf eine digitale Basis zu bringen, lade ich mir regelmäßig Zocker aus aller Welt in mein Wohnzimmer ein. Von denen gibt es auch nicht wenig: NerdCubed, Gronkh und Sarazar, Let's Play Markus und die Chaoten vom Yogscast. Der wohl erfolgreichste Let's Player ist aber mit Sicherheit der Schwede Felix Arvid Ulf Kjellberg, besser bekannt als PewDiePie. Mit seiner Vorliebe für Horrorspiele und seiner übertriebenen Schreckhaftigkeit hat er es geschafft, über 27 Millionen Abonenten und mehr als 4,5 Milliarden Aufrufe seiner Videos anzuhäufen - mehr als jeder andere Kanal auf YouTube. Erstaunlich, was man erreichen kann wenn man willkürlich Zeug brüllt und ab und zu auf Schwedisch flucht.
Für den Zuschauer haben solche Kanäle einen klaren Vorteil: Sie müssen die Spiele nicht kaufen, um sie zu sehen. Selbst eingreifen kann man natürlich nicht, dafür zocken ja die Let's Player. Deren Emotionen, Meinungen und auch oft deren Versagen machen das Spiel zu einem Zuschauersport. Wer von den Videos angefixt wird, kann sich das Spiel nach ausführlicher Betrachtung immer noch holen. So gesehen sind die YouTuber auch oft gute Werbeträger - auch für die Hardware auf der sie spielen. Dass ein Occulus Rift tatsächlich spieletauglich ist, oder dass der Share-Button auf dem PlayStation 4 Controller Sinn macht, steht und fällt mit dem öffentlichen Bild der Hardware. Statt einem Werbevideo sehen wir, wie einer von uns sich mit den Neuheiten auseinandersetzt. Jenseits der Technologie erfüllen Let's Plays auch ein soziales Bedürfnis, das bei Computerspielen mittlerweile ein Kernelement geworden ist. Multiplayer und Coop brauchen nicht mal mehr einen zweiten Spieler im selben Raum - Internet sei Dank. Es ist normal geworden, alleine vorm Rechner zu sitzen und trotzdem in guter Gesellschaft zu sein.
Länder mit weniger Einwohnern als PewDiePie Abonenten hat.
Nun kommt die nach wie vor wachsende Let's Player Szene nicht ohne teils berechtigte Kritik aus. Die steigende Anzahl an Genre-Kanälen mit den dazugehörigen Persönlichkeiten ist kaum verwunderlich, schließlich kann beim Zocken Geld verdienen. Ob dabei nun die Spiele mit ein paar Worten zur Begleitung gezeigt werden oder ob man die Videos wegen den Leuten schaut, macht hier einen großen Unterschied. Der Zusatzinhalt zum eigentlichen Spiel ist, was hier den eigentlichen Unterhaltungswert ausmachen sollte. Das funktioniert nicht immer, vielen Vorzeige-Zockern wird Geldmacherei vorgeworfen. YouTuber Totalbiscuit hat beispielsweise wenig für PewDiePie übrig: "I may hate him with all my heart but he is a good heatsink for Youtube, collecting all of the idiots of Youtube." Für ihn sind die meisten Let's Player ohnehin talentlose Versager. Die Ironie, dass er selbst mit Videos von Spielen Geld verdient, ist hoffentlich nicht an ihm vorbei gegangen. Ob es wirklich einen Unterschied gibt, ob man nur einen Teil des Spieles oder den ganzen Titel von Anfang bis Ende zeigt, ist hier Ansichtssache. Kritiker wie er zeigen Spieleszenen und liefern Feedback für Entwickler und - viel wichtiger - für die Konsumenten. Was hier professionell wirken soll, wird bei Let's Playern durch den amateurhaften Charme ersetzt. Vor 10 Jahren haben die "Teufelskerle" bei GIGA und GIGA Games ihren Mangel an Skills dargestellt. Das ging so weit, dass für den Moderator George Zaal sogar das Lied "George hat verloren" geschrieben wurde, das er nach jedem Fail einspielte. Heute failt sich eben ein Emero durch Kaizo Mario.
Man kann von Let's Plays halten, was man will. Egal, ob es für einen die digitale Erweiterung des Zock-Buddys ist, man nur jemanden faseln hören möchte wie bei einem Podcast oder ob man sich so "das Zocken spart" - es ist ein etablierter Trend. Wie sich dieser weiter entwickelt liegt auch in unseren Händen. Wir entscheiden, wo unsere Aufmerksamkeit in Form von Abos und Likes hin wandert. Statt der Brieftasche (wie in einer Geldwirtschaft) lassen wir die Klicks sprechen. Vielleicht ist das ja der nächste Trend: Let's Vote.