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In Your Face Friday - Film nach Formel

karlstiefel 30.09.2016 19377 0
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Es heißt "Showbusiness" und genau das ist es - ein Gewerbe. Damit auch das entsprechende Geld gemacht wird, suchen Filmstudios immer wieder nach neuen Produktionen, die sich entsprechend gewinnbringend vermarkten lassen. Das sind, wie sich herausgestellt hat, meist Fortsetzungen und Adaptionen. Ein Original zu erschaffen ist somit zu einem mutigen Schachzug geworden - und einem, der ordentlich in die Hose gehen kann. Was das für die Kinostarts und Strategien der Studios bedeutet, lässt leider auf wenig Kreativität hoffen.

Manchmal können Kinder richtig geniale Ideen haben, wenn sie ihrer ungezügelten Fantasie freien Lauf lassen. Da wäre zum Beispiel der damals 5-jährige Malachai Nicolle, dessen Bruder Ethan an einem Webcomic gearbeitet hat. Der kleine Bruder durfte die Geschichte schreiben und der Große zeichnen - Axe Cop war geboren. Dass die teils bizarre Denke eines so jungen Autors sehr unterhaltsam sein kann, beweist der Comic mit Bravour. Was kann also schief gehen, wenn man einem Kind ein solch großes Projekt anvertraut? Viel. Verdammt viel. 115 Millionen Dollar und mehrere Jobs als Firmenchefs viel. Aber eines nach dem anderen.
Seit 2015 gab es immer wieder Gerüchte über ein Film-Debakel seitens des Studios Paramount. Angeblich sei ein Film in der Mache, der bereits dermaßen viel Geld verschlungen hätte, dass die Veröffentlichung diese Investitionen nicht mehr ausgleichen könnte. Mutterkonzern Viacom informierte seine Aktionäre darüber: "a programming impairment charge of $115 million in its filmed entertainment segment in its fiscal fourth quarter related to the expected performance of an unreleased film". Zu Deutsch: Katastrophe, bevor der Film überhaupt läuft. Bei dem desaströsen Streifen handelt es sich um "Monster Trucks", der wie ein zahmeres Transformers für ein etwas jüngeres Publikum wirkt. Erdenker dieses Titels ist der damals 4-jährige Sohn des Studiopräsidenten Adam Goodman, für den klar war: Monster Trucks heißen so, weil Monster darin leben. Eigentlich eine ganz süße Prämisse, die in einen sehr zielgruppengerechten Film umgesetzt wurde. Nach einem mäßig angekommenen Trailer, mehreren Verschiebungen und anscheinend einer Menge Arbeit hinter den Kulissen um den Film irgendwie zu retten, soll er nun im Jänner 2017 endlich in die Kinos kommen. Keine Vorfreude, sondern das Bangen um Schadensbegrenzung wird bei der Produktionsfirma hier mitschwingen. Wobei viele an dem Projekt beteiligte Köpfe dürften ihre Position bis dahin gar nicht mehr bekleiden: Adam Goodman ist seinen Job los, genau so wie der Chef der Paramount-Animationsfilmsparte, Bob Bacon. Auch dem Interimschef von Viacom, Tom Dooley, war das Debakel zu viel und er gab seinen Posten ab. Goodman Junior ist nach wie vor als Minderjähriger tätig.

Selbst zielgruppenorientiertes Michael Bay-Kino ist mittlerweile ein Risikoprojekt. Dabei schaut es auf den ersten Blick nicht nach "Katastrophe" aus.

Die "Monster Trucks"-Pleite hat allerdings wesentlich weitreichendere Konsequenzen als "nur" einen Verlust im dreistelligen Millionenbereich. Denn für die gesamte Filmbranche wurden mehrere Signale gesendet, die so manche gängige Meinung auch bestätigen mögen. Zunächst hat Monster Trucks keine Lizenz, was die Produktion zwar günstiger machte, jedoch für keine zusätzliche Zugkraft sorgte. Wer also einen erfolgreichen Film produzieren möchte, sollte lieber ein bestehendes Franchise adaptieren und eine Vorlage - Bücher, Comics und alte Serien ziehen immer - umsetzen statt sich an ein Original zu wagen. Eben diese Originale führen zum zweiten Punkt: Der erste Film muss sitzen, damit eine Serie mit vielen Fortsetzungen und/oder Spin-Offs daraus gemacht werden kann. Somit hat sich erneut bewiesen, dass Fortsetzungen oder Reboots wesentlich sicherer sind. Zuletzt werden viele Studios sich in ihren sicherheitszentrierten Linien, die von Adaptionen und Fortsetzungen gezeichnet sind, bestätigt fühlen und diese weiter verfolgen, statt Risiken einzugehen. Diese zahlen sich nämlich - wie der Flopp in den Startlöchern wohl beweist - nämlich nicht aus.
In den kommenden Jahren - wenn nicht Jahrzehnten - wird sich die Filmindustrie also wahrscheinlich nicht ändern. Selten sind Originale wirklich erfolgreich, einige positive Beispiele ausgeschlossen. Neun von zehn der finanziell erfolgreichsten Filme 2015 waren Fortsetzungen oder Adaptionen, nur Disney/Pixars Inside Out (bei uns als Alles steht Kopf in den Kinos gewesen) bricht dieses Monopol. Im aktuellen Filmjahr sind bislang nur sieben der Top Ten keine Neuheiten. Mit dem Viakom/Paramount-Debakel wird es wohl so bleiben, da stets steigende Kosten und sinkende Einnahmen die wirtschaftlich Denkenden Kräfte zu einer Gewinnoptimierung zwingen. Wenn ein Film aktuell erfolgreich ist, dann auch wirklich. Rückblickend auf 2015 haben die vier finanzstärksten Filme mehr eingenommen wie die sechs Plätze darunter zusammen. Die drei "schwächsten Teilnehmer" zusammen kommen nicht ein Mal an den Platz 1 heran. Mehr Geld fließt in erfolgreiche Filme, die Verteilung wird immer polarisierter. Einen "Risiko-Film" wie Monster Trucks in solchen Zeiten zu produzieren hat negative Folgen für alle Beteiligten. Deshalb bleibt Hollywood lieber konservativ um nicht zu sagen feige. Naja, vielleicht wird der Reboot von dem Film ja ein Stück erfolgreicher.
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