Gamer sind ja eine anspruchsvolle Zielgruppe. Sie sind gut informiert, markentreu und haben weitreichende Kommuniaktionskanäle. Entwickler und Publisher müssen sich daher oft
harsche Kritik gefallen lassen - oft zurecht. Einerseits ist das natürlich gut, dass sich Konsumenten mit einer ganzen Industrie nicht nur auseinander setzen, sondern manchmal sogar anlegen. Mittlerweile erreicht das aber absurde Ausmaße. Eine Geschichte vom
Nörgeln.
Diablo 3 ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses In Your Face Fridays etwas mehr als zwei Wochen draußen. Dennoch ist die
Anklageschrift der Zocker-Community bereits sehr lang: der Inferno-Schwierigkeitsgrad ist zu schwer und wurde nicht getestet, einige Klassen sind nicht im Entferntesten ausgewogen, Hotfixes werden ohne Benachrichtigung der Zocker eingespielt, das Auktionshaus ist nicht nur Mist, sondern funktioniert auch oft einfach nicht, die Login-Server halten nichts aus, der Always-On-DRM ist sowieso ein Blödsinn, die Accounts können gehackt werden und die Schuld liegt bei Blizzard, die legendären Items sind Müll, die Bosse sind zu einfach während die Elite-Gegner zu schwer sind und das Crafting-System ist überhaupt unnütz.
Entwickler/Publisher Blizzard hat bereits erste Schritte eingeleitet und verspricht Änderungen mit den kommenden Patches. Zweifelhaft ist aber, ob die Wut-Zocker jemals zufriedengestellt werden können - denn Jammern ist eine Kunst. Trotz legitimierenden Wahrheitsgehalt sind die Anschuldigungen nämlich oft übertrieben. Der
Error 37 (kein Einloggen möglich) ist nämlich eher die Ausnahme als die Regel. Ein Ausfall der europäischen Server am Sonntag des ersten Wochenendes ließ die Wut der Spieler aber hochkochen. Die gehackten Konten halten sich in Grenzen - schließlich hat das Battle.net den höchsten Sicherheitsstandard in der Industrie. Mit Gratis-Authentikator für Smartphones und einer ausführlichen Seite zur Account-Sicherheit bietet das Studio einen nicht selbstverständlichen Service für seine Kunden. Dass Hacker Spiele-IDs kapern und somit den Login-Prozess umgehen können ist bisweilen eine eher fragliche Anschuldigung.
Singleplayer? Ist doch SOWAS von 2004! Aber was wollen die wütenden Spieler eigentlich, außer die Foren zuzuspammen? Selbst mit Patches, die das Spiel massiv ändern, gäbe es noch Schreihalse. Denn während die Einen nur die Umsetzung des Auktionshauses bemängeln, verteufeln Andere das gesamte Konzept. Manche wünschen sich sogar ein Skill-System wie in
Diablo 2 wieder zurück, was gegen das gesamte Design-Konzept des dritten Teils geht. Und selbst wenn alle kritischen Stimmen erhört und deren absurde Forderungen umgesetzt werden, wird im Anschluss jemand schreien, dass es jetzt nur noch
Diablo 2 mit besserer Grafik ist. Man kann unmöglich jeden zufriedenstellen.
Der Protest der Spieler kann auch sehr kreative Formen annehmen - so der Fall bei
Mass Effect 3 oder genauer gesagt dessen Ende. Da zahlreiche Spieler mit diesem absolut unzufrieden waren, wurde eine Lieferung von
402 Muffins an BioWare geschickt. Zwar hatten diese unterschiedliche Farben (rot, blau und grün), jedoch war der Geschmack stets gleich. Genau so fühlten sich die verstimmten Zocker nämlich - als ob ihnen eine Auswahl vorgegaukelt wurde, die das Spiel nicht umsetzen konnte. Egal, welche Entscheidung man traf (sowohl auf galaktischer, als auch auf muffintechnischer Ebene), das Ergebnis war stets gleich.
BioWare hat es sich wohl etwas zu einfach gemacht. Viel lässt sich auch durch das (nicht) Spielen eines Titels aussagen. Um
Valve an
Half-Life 2: Episode 3 oder gar
Half-Life 3 zu erinnern, wurde der zweite Teil organisiert angespielt. Einige zehntausend Zocker starteten zeitgleich den legendären Shooter und bewegten sich eine halbe Stunde lang im HEV-Anzug von Gordon Freeman. Dieser kurzzeitige Anstieg der Nutzerzahlen sollte den Entwicklern ins Auge fallen. Zwar wurde die Aktion von Gabe Newell bemerkt, doch ließen sich weder er noch seine Mitarbeiter aus der Ruhe bringen. Große Proteste löste auch
Left4Dead 2 aus, welches sehr schnell nach dem Original erschien. Das gefiel den Fans nicht, weswegen sie in der Steam-Community die Gruppe
“Boycott L4D2” gründeten. Jetzt ratet mal, welches Spiel bei den meisten Profilen bald nach dem Erscheinen des zweiten Zombie-Shooters angezeigt wurde. Ähnliches passierte mit
Call of Duty: Modern Warfare 2, da keine dedizierten Server angeboten wurden. Auch hier zeigte das “now playing” neben den Namen der “Boykottierer”, wie ernst sie ihren Protest nahmen.
Leute, ein Boykott sieht anders aus... Im Endeffekt ist es so, dass die Wütendsten meistens die Lautesten sind und nicht die gesamte Meinung der Spieler reflektiert wird. Wenn man zufrieden mit einem Spiel ist, genießt man es eben, statt Muffins zu backen. Außerdem sind Fehler gute Zielscheiben, die direkt angegriffen werden können. Was soll man auch machen, wenn einem das Spiel einfach gefällt? Glückwunsch-Karten schicken? Muffins mit verschiedenen Geschmacksrichtungen backen?
Zufriedenheit ist ein stilles Gut, Wut entfesselt den Schreihals. Das in Kombination mit den gebotenen Kommunikationsmöglichkeiten und einem interessierten Publikum ist der ideale Nährboden für einen Negativ-Hype. Und der macht doch viel mehr Spaß als diese langweilige Zufriedenheit.
» Beitrag diskutieren (38 Kommentare)