Seit der letzten Prozessorserie von AMD ist bekannt, dass man mit einem einfachen Trick den Multiplikator, der das Verhältnis von Prozessortakt zu "Front Side Bus"-Geschwindigkeit definiert, entsperren kann. Der sogenannte "Bleistift-Trick" verbindet auf Duron- und Thunderbird-CPUs elektronische Punkte, sogenannte Brücken, an der Oberseite des Carriers, sodass Strom fließen kann.
Über die Einstellung des Multiplikators kann man die Prozessortaktfrequenz unabhängig von der Systemgeschwindigkeit erhöhen; das bedeutet, dass beim Übertakten des Prozessors die übrigen Systemkomponenten, wie PCI-Bus, IDE-Controller oder AGP-Bus, nicht mitübertaktet werden und dadurch oft höhere CPU-Taktfrequenzen erreicht werden können.
[pagebreak]Das Equipment[/pagebreak]
Langer Rede, kurzer Sinn - nachdem wir unsere Thunderbirds und Durons so kostengünstig entsperrt haben, sollten wir das auch mit der neuen Amd XP Serie machen. Zur Erinnerung: bisher reichten vier Bleistiftstriche, die so positioniert wurden, dass die auf der Oberseite der CPU zu sehenden L1-Brücken kontaktieren konnten. Das Bild zeigt einen entsperrten AMD Duron Prozessor, die mittels Laser getrennten L1-Brücken wurden mit Bleistiftstrichen verbunden. Elektrotechnik-Profis nehmen für das Entsperren keinen Bleistift, sondern verwenden Silberleitlack, der weit höhere Leitfähigkeit besitzt als das Graphit in einer Bleistiftmine, dafür aber vor einem Verkauf des Prozessors schwieriger zu entfernen ist ; bei der Bleistiftmethode reicht ein Radiergummi, um die CPU wieder in den Ausgangszustand zu versetzen.
Zum Entsperren eines XPs reicht fast das Haushaltsmaterial. Klebstoff, Tixo, eine Stecknadel, ein paar Zahnstocher, eine Lupe, alle diese Gegenstände findet man in einem gut sortierten Haushalt. Einzig und allein der Silberleitlack muss meist dazugekauft werden. Eine kleine Flasche sollte etwa 5 Euro kosten und ist im guten Elektronik-Fachhandel aufzutreiben. Unser Bild zeigt Teile des von uns verwendeten Materials.
[pagebreak]Das Hindernis - Kerben![/pagebreak]Auch der XP trägt auf der Oberseite des Carriers mehrere Brücken. Bei dieser Prozessorserie werden aber von Werk her die für den Multiplikator entscheidenden L1-Brücken nicht nur per Laser getrennt, sondern es werden zwischen die Brücken kleine Kerben geschnitten. Diese Kerben sind nach dem Schneiden schwärzlich-verbrannt, durch leichtes Kratzen mit einer Stecknadel oder einem ähnlichem Gerät kann aber die glänzende, elektrisch leitfähige Schicht darunter freigekratzt werden. Diese Kerbe muss für das korrekte Entsperren des Prozessors versiegelt werden, da ein Kontaktieren der L1-Brücken mit der Basisschicht der Kerbe den vorzeitigen Prozessortod bedeuten kann. Wie auch schon beim Entsperren der "alten" AMD CPUs dürfen auch die Brücken untereinander nicht kontaktieren, da auch dies Schäden an der CPU hervorrufen kann.
Das Bild zeigt die dunklen Kerben zwischen den L1-Kontakten auf der Oberseite eines XP1700+ Prozessors. Auf dem Foto sieht man auch zwischen den L3-Kontakten diese Kerben, für das Entsperren des Multiplikators reicht aber das Schließen der L1-Kontakte.
[pagebreak]Das Versiegeln der Kerben[/pagebreak]Um die Brücken zu verschließen, greifen wir zu einem zähflüssigen, nicht leitfähigen Material, das in jedem Haushalt zu finden ist: Uhu, sprich Klebstoff. Wir entscheiden uns für normalen Klebstoff, da ein aggressiver Superkleber möglicherweise das Plastik oder sogar die Kontakte der L1-Brücken angreifen und auflösen könnte. Normaler Klebstoff hat außerdem den Vorteil, dass er nicht zu schnell härtet und vor allem Unlock-Unerfahrenen die Chance zur Nachkorrektur bietet. Um die Kontakte beim Auftragen der dünnen Uhu-Schicht nicht zu überdecken, kleben wir die L1-Brücken mit Tixo ab. Danach wird eine sehr dünne Spur Klebstoff entlang der Kerben aufgetragen. Ein Zahnstocher leistet beim Verteilen des Klebstoffs gute Dienste.
Wer ganz sauber arbeiten möchte, der sollte auch die einzelnen Brücken seperat fertigen. Zu diesem Zweck deckt man nicht nur die L3-Brücken sauber ab, um jegliche Beschädigung zu vermeiden, sondern überklebt auch die L1-Brücken, an denen man derzeit nicht arbeitet. Auf dem Bild sieht man einen zum Schließen der rechtesten L1-Brücke abgeklebten XP2000+.
Wir haben uns dazu entschieden, alle Kerben in einem Durchgang zu schließen, daher sieht das Endergebnis so aus, wie auf diesem Bild. Mit einer Nadel wurden noch einmal die L1-Kontakte sauber gekratzt. Die Klebstoff-Spur ist etwas verwackelt, aber sie erfüllt ihren Zweck: sie deckt die Kerben zwischen den Brücken ab.
[pagebreak]Das Verbinden der Kontakte[/pagebreak]Um die Kontakte über die verschlossenen Kerben hinweg zu verbinden, reicht beim XP meist kein Bleistift mehr. Wir haben uns eine kleine Flasche Silberleitlack besorgt, um die Brücken erfolgreich zu schließen. Beim Silberleitlack ist darauf zu achten, dass er nicht zu flüssig auf die Zielstellen aufgetragen wird, da es sonst leicht zum Verrinnen des Lacks kommt. Unkontrolliertes Verrinnen kann zu unerwünschten Kontakten auf dem Carrier führen, die CPU nimmt mit großer Warscheinlichkeit Schaden. Falls sich das Silber doch einmal selbständig machen sollte, schnell mit einem Tuch aufsaugen und vorsichtig die betroffenen Stellen säubern.
Unser Tip: Einen Tropfen Silberleitlack aus der Flasche auf ein Blatt Papier geben - die Trägerflüssigkeit verdampft, das konzentrierte Silber kann mit Hilfe eines Zahnstochers aufgetragen werden und verrinnt nicht mehr so leicht. Wichtig: Die Brücken dürfen untereinander nicht kontaktieren, also immer mit einer Lupe kontrollieren, ob die Stellen wirklich sauber getrennt auf dem Carrier verbunden wurden. Zum Nachbessern kann sowohl mit einem feinen Stanleymesser als auch mit einer Nadel ein bißchen Silber weggekratzt werden.
Stellen, die nicht sicher geschlossen sind oder kleine Löcher aufweisen, kann man mit einem graphithaltigen Bleistift nachbehandeln. So stellt man sicher, dass auch alle L1-Kontakte mit ihrem Gegenüber verbunden wurden. Unser Bild zeigt den fertig entsperrten XP1700+. Deutlich zu sehen sind die Kratzspuren der Nadel zwischen den Brücken; sie entstanden bei der Sicherstellung, dass die Brücken untereinandern nicht kontaktieren. Man sieht weiters, dass auch Elektrotechnik-Laien das Entsperren der Amd XP CPUs locker bewältigen können.
[pagebreak]Das Ergebnis[/pagebreak]Vor dem Einbau und der Inbetriebnahme der CPU sollten noch einmal die Brücken genauestens überprüft werden. Fehlerhaft verbundene Brücken können die CPU beschädigen oder sogar zerstören. Weiters sollte man die CPUs nicht ohne aufgesetzten Kühler/Lüfter anwerfen, da die XPs so große Abwärme produzieren, dass sie ohne geeignete Kühlung meist innerhalb von Sekunden das Zeitliche segnen. Overclockers.at übernimmt selbstverständlich keinerlei Haftung bei Beschädigungen an der CPU.
Das Ergebnis seiner Arbeit kann man mittels BIOS bzw per Jumper am Motherboard überprüfen. Einfach die Multiplikator-Einstellung ändern, schon weiß man, ob und welche Multiplikatoren funktionieren. Falls sich die CPU weigern, einzelne Einstellungen des Multiplikators zu akzeptieren, mit anderen aber ohne Probleme bootet, sind einzelne Brücken nicht sauber verbunden. In diesem Fall kann man meist mit dem Bleistift nachbessern, sodass alle Multiplikatoren frei wählbar sind.
Wir wünschen viel Glück beim Entsperren der CPUs und viel Spaß beim Übertakten mit den freigeschaltenen Multiplikatoren. Feedback und Anregungen sind, wie immer, herzlich willkommen.