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Östliche Philosophie: Gurdjieff, Ouspensky, Hesse etc.

Oblivion 15.05.2003 - 00:00 1309 5
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Oblivion

Big d00d
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Nachdem ich mich mit Obengenanntem zur Zeit sehr intensiv befasse, würde mich interessieren, ob es hier sonst noch Leute gibt, die sich damit damit schon einmal auseinandergesetzt oder es gar zu ihrer Lebensphilosophie gemacht haben und was sie darüber denken.

Für jene, die mit dieser Thematik nichts anfangen können, seien kurz ein paar Grundsätze dieser Philosophie genannt:

Zentral ist, dass das Ich eine Illusion und nicht einmal kohärent ist, sondern aus vielen kleinen Persönlichkeitsteilen besteht, die auf die jeweilige äußere Situation reagieren, die Kontrolle übernehmen und ein angewohntes Verhaltensmuster abspielen (z.B.: unter Freunden verhält man sich auf eine bestimmte Weise und in der Familie oder wenn man allein ist, wieder ganz anders). Das Ziel besteht darin, objektives Bewußtsein zu erlangen (also in JEDER Situation völlig klar und unvoreingenommen denken zu können), sich von primitiven (positiven sowie negativen) Gefühlen sowie von sämtlichem weltlichen Ballast (Gesellschaft, Unterhaltung etc.) zu befreien. Schließlich soll diese Weiterenwicklung des Menschens ihn zur Einheit mit dem Göttlichen führen.

Obiges impliziert natürlich genug, um Bücher damit zu füllen, es ist nur als kleiner Überblick gedacht. Interessierten seien folgende Texte nahegelegt:
Zusammenfassung eines Buches von R. S. de Ropp
Grunsätzliches über Ouspenskys Lehre

An Literatur seien die Werke Gurdjieffs ("Beelzebubs Erzählungen an seinen Enkel"), Ouspenskys ("Auf der Suche nach dem Wunderbaren"), J.G. Bennetts (Ouspensky und Bennett waren übrigens Schüler Gurdjieffs, der lange in Klöstern und Philosophenschulen im mittleren und fernen Osten gelebt hat) und Hesses (v.a. "Die Morgenlandfahrt" und "Das Glasperlenspiel") empfohlen.
Bearbeitet von Oblivion am 15.05.2003, 14:51

jAcKz

Legend
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Nunja, Hesse habe ich natürlich schon gelesen. Die Subjektkritik, die du skizzierst, ist im Prinzip bereits bei Nietzsche angelegt und findet in der Postmoderne eine große Renaissance. Was die darüber hinausgehende Forderung nach Objektivität und Loslösen betrifft, so halte ich sie für ziemlich illusionär.

Oblivion

Big d00d
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Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sache mit dem objektiven Bewusstsein sich vorerst etwas konstruiert und zu kalt intelektuell anhören mag, aber es ist tatsächlich machbar. Es ist zwar eine äußerst schwierige, weil derart subtile Angelegenheit, da sich der Geist immer Bewusstsein vorgaukelt (siehe link zu Ouspensky), aber es ist möglich und wenn man den Zustand einmal erreicht hat, fällt es einem wie Schuppen von den Augen: man kann nun allem den richtigen Wert zuordnen (das Loslösen vom Weltlichen geht somit fast automatisch), man kann wirklich tun, was man will, antriebsloses Herumsitzen gibt es nicht mehr, man kann jede Minute völlig aktiv etwas tun, man hat soviel Macht über sich selbst um mit Emotionen fertig zu werden (und das ist kein Verdrängen sondern eine Erkennentnis darüber, dass die Gefühle nicht absolut sind (interessant: die Gefühlswelt wird im Gegensatz zur materiellen Welt sehr oft als völlig real angesehen), sondern lediglich ein Produkt eines unserer Ichs) und man gewinnt immer mehr Einblicke darin, wie der eigene Geist funktioniert und kann ihn so lenken. Der Geist ist nun auch durch nichts mehr behindert, man erkennt vieles, auf das man im "normalen" Zustand nie gekommen wäre und man schaltet geistig unglaublich viel schneller.
Es ist, wie wenn sich eine innere Handbremse löst, die vorher jede ernsthafte geistige Weiterentwicklung blockiert hat.

Ich bin jedenfalls überzeugt davon, muss allerdings zugeben, dass dieser Zustand nicht nur schwer zu erlangen, sondern auch schwer aufrechtzuerhalten ist. Er verstärkt sich zwar selbst (man versteht immer mehr, wie es funktioniert), aber man vergisst im Glauben daran, man habe das Ziel erreicht, die Grundsätze leicht.

xyto

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Es ist immer wieder frappierend mitanzusehen, wie die Menschen immer in dieselben selbstgelegten Fallen tappen.

Es ist wohl unmöglich der Komplexität des angesprochenen Themas hier genüge zu tun, dennoch würde ich gern an die "Suchenden" hier ein paar Worte richten:

Das Höchste, um das es Hesse, Gurdjieff und co geht ist Erleuchtung.
Diese "Macher" (und die Kritik richtet sich wahrlich nicht alleine an jene, sondern auch an die anderen, die meinen zu wissen was wahr ist, die meinen es _sagen_ zu können) glauben nun tatsächlich sie könnten "Erwachen" lehren.

Hesse mag man hier entschuldigen, haben seine Werke doch nicht den Anspruch Weg, sondern vielmehr bloß Fingerzeig zu sein.

Diese Gurus stellen dann also ihre Thesen auf:
Das Ich ist Illusion.
Das Ziel ist objektives Bewusstsein.
Der Weg ist natürlich hart und steinig.
Der Zustand des Erwachten ist ewige Glückseligkeit.
usw. usf.

Klingt nett, vor allem klingt es aber wahr; dem mit sich selbst aufrichtigen Menschen wird sich hier tatsächlich viel wesentliches zeigen, denn wer weiß schon wer oder was er ist?
Wer auch nur 10 Minuten ernsthaft über diese, seinem gesamten Selbst und Weltverständnis zu Grunde gelegte Frage nachgedacht hat, wird keine positive, eindeutige Antwort finden.
Man mag sagen "natürlich bin ich nicht nur der Körper, aber ich bin es auch, ich bin eben das Ganze, das mehr ist."

Bleibt dies aber nicht irgendwo lächerlich? Ich weiß nichtmal wer ich bin?
Ich weiss es nicht, weil ich es eben bin? ok, das hilft nicht weiter.

Wie dem auch sei, in jedem Fall ziehen diese Gurus aus dem Zweifel ihre Kraft, das Leid ihrer Schüler macht sie stark und durch Versprechen binden sie sie an sich.

Die größte Lüge ist aber jene: sie geben einem tatsächlich zu glauben man könne etwas tun, ja man müsse sogar etwas bestimmtes tun!.

Man kann aber nichts tun für die Erleuchtung (nicht dass es sowas wie "Erleuchtung" überhaupt gäbe).
Ist auch irgendwie logisch, alles was _ich_ tue und plane stärkt eben dieses Ich.
Nicht umsonst die Anfangsworte im Tao Te King und die "Lehre" vom nicht-tun.

Weiters:
Dem "Sucher" sollte bald klar werden, dass es nie um etwas Bestimmtes geht oder auch nur gehen kann.
Es geht nicht um den "Verstand", der alles bewertet und mit unglückseligen Erwartungen verknüpft usw.
Oder um schwachsinnige Ideen "Ich muss mein ich los werden."
Aha... hört sich nicht nur unmöglich an, das ist es auch.
E
s geht auch nicht darum "nicht mehr zu denken" oder "immer bewusst zu sein" oder irgendeine andere Idiotie.
Das alles sind aber schöne "Ziele" deren sich die Gurus bedienen: erst muss man lange leiden, und jeden Tag ewig und drei Stunden meditieren damit man "die Pausen zwischen den Gedanken verlängert"...

Als ob es darum ginge!

Wer auch nur einmal echte Erkenntnis erfahren hat, weiß, dass sie nicht bestimmbar ist, ja dass sie überhaupt nicht "sprachlich" ist.
Es ist eine Erfahrung die erhebend ist, und die meistens nimmt und nicht gibt: sie nimmt falsche Vorstellungen, falsche Identifikationen.
Ausserdem zeigt sich dieses Wissen von selbst, ohne eigenes zutun, es scheint einfach auf.

Ein "klassisches Beispiel" wäre vielleicht die Erkenntnis (und nicht das Wissen!), dass Begriffe nicht die Sachen sind.
"Der Begriff Baum ist nicht der Baum" - ja so etwas wie einen "Baum" gibt es nichtmal.

Das mag hirnverbrannt klingen, doch ist es einsichtig, und erkennt man es auch, rührt es einen zu Tränen.


mfg

xyto
Bearbeitet von xyto am 10.06.2004, 22:50

xephus

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Wie soll der Mensch einen Begriff den er nicht fähig ist zu verstehen und an keinem naturgegebenen Etwas oder Sein verstehen minder noch lernen kann, zu einem oder dem essentiellen Part seiner Kreation machen?

xyto

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Zitat von xephus
Wie soll der Mensch einen Begriff den er nicht fähig ist zu verstehen und an keinem naturgegebenen Etwas oder Sein verstehen minder noch lernen kann, zu einem oder dem essentiellen Part seiner Kreation machen?

Ich bin mir nicht sicher ob ich dich hier richtig verstehe, dennoch ein paar Worte:

Das worum es den Buddhisten (v.a.Zen), Sufisten, Advaitaisten usw. letztendlich geht ist tatsächlich das Ab-solute. Es ist das, was nicht bestimmbar ist, denn könnte ich es sagen, würde ich es von anderen Dingen abtrennen und ihnen gegenüberstellen.
Schon hat man den berühmten Subjekt-Objekt Dualismus, der diesen "Lehren" zur Folge eigentlich das Grundproblem darstellt - ihn gilt es zu überwinden.

Das Problem dabei ist folgendes: der Mensch kann eben überhaupt nichts tun um dies zu verwirklichen!
Es simmt, er kann "es" weder verstandesmäßig verstehen, noch kann er es eben zu einem Teil seiner Lebenspraxis oder dergleichen machen.

Wenn ich dennoch irgendwas dafür machen will - z.B. "konzentriert sein" wird man schnell merken, dass das nicht funktioniert. Wenn man etwas bestimmtes machen will, muss man es quasi auch "überprüfen", dann beobachtet man "sich selbst" und schaut ob ich diesen Vorstellungen genüge tue... das einzige was man dann bekommt ist ein übermächtiges Über-ich, wie es sich ja bei vielen Sekten (die ja eben gerade meinen zu wissen wie man zur "Wahrheit" kommt) zeigt.

Ich hoffe ich konnte etwas Licht in die Sache bringen...

Achja und was diese "Erleuchtung" oder "Satori" oder "Aufhebung des Subjekt - Objekt Dualismus" angeht, behaupte ich zwar nicht zu wissen was es ist, aber eines ist es nicht: etwas Außergewöhnliches.

Im Gegenteil, es ist eigentlich der natürliche Zustand des Menschen ohne eben die Trennung die ja der Mensch selbst schafft - mit allem was er ("absichtlich") tut.

Wenn er sich aber hingibt und loslässt, dann erst dringt er zum wesentlichen Kern vor.
Er muss alles aufgeben um nichts zu finden, und das ist in seiner Unbestimmtheit alles.


Religion heißt ja "Rückbindung zum Einen" - und um das geht es, siehe z.B. auch Meister Eckhart


Ps: dieser "Zustand" ist natürlich auch nicht so, dass man z.B. dann wirklich "objektiv" ist, sondern man ist insofern beim Wahren, als es durch den Mensch als Möglichkeit Ausdruck findet.

Man könnte sagen, dass jede Welle des Ozeans völlig anders beschaffen ist, aber _wesentlich_ sind sie alle Wasser.. so in der Richtung.
Bearbeitet von xyto am 14.06.2004, 14:50
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