"Christmas - the time to fix the computers of your loved ones" « Lord Wyrm

Der Ruf aus dem Dunkel

Ece 09.06.2003 - 13:53 479 10
Posts

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
Eines Nachts erwachte in seinem Bett der fünfundzwanzigjährige Angestellte Herr K., weil es ihm war, als hätte jemand nach ihm gerufen.

Er blieb bewegungslos im Bett liegen und lauschte, die Augen geöffnet, in das Dunkel. Herr K. hatte einen sehr festen Schlaf, und da er ohne äußere Einwirkungen nie aufwachen würde, war er überzeugt, dass tatsächlich jemand seinen Namen gerufen hatte. Nachdem er nun keinen Laut mehr vernahm, entschloss er sich aufzustehen, um vor seinem Haus nachzusehen, ob sich nicht einer seiner Freunde oder Kollegen zu später Stunde – vielleicht nach dem einen oder anderen Bier zuviel – zu ihm verirrt hatte, oder ob sich gar jemand einen üblen Scherz mit ihm erlaubte.

Einen Einbrecher oder anderen Übeltäter vermutete Herr K. nicht, da er zu den Menschen gehörte, die überzeugt davon waren, dass dieses oder ähnliches Unglück nur andere träfe, aber nicht ihn. So war auch sein Leben eine Aneinanderreihung von glücklichen Ereignissen, einer guten Ausbildung folgte ein ebensolcher Beruf und auch sonst kam sich Herr K. vom Schicksal verwöhnt vor, wobei er in seinem Innersten sicher war, dass er es auch verdient hatte.

So setzte er sich im Bett auf, sich noch einmal vergewissernd, ob sich nicht doch ein Laut vernehmen ließe, schlüpfte in seine Hausschuhe und nahm seinen Morgenmantel vom Haken an der Wand, da trotz des angehenden Sommers ein kühler Wind wehte. Langsam, mit dem größten Bemühen, keinen Laut zu verursachen, der weitere Rufe seines Namens übertönen könnte, ging er die Treppe seines Hauses hinunter und durch das Vorzimmer zur Haustüre, deren Schlüssel er behutsam umdrehte, um sie dann zu öffnen.

Herr K. warf einen Blick auf den vor sich liegenden Garten, in der Erwartung jemanden vor dem Haus stehen zu sehen, sah dort aber nichts, bis auf die Bäume, die sich im Wind bogen. Sein Garten war neben dem Haus Herr K.’s ganzer Stolz, hatte er doch sein Leben lang von einem seinen Vorstellungen entsprechenden Eigenheim mit Garten geträumt. Rechts neben dem Haus war ein kleiner Park angelegt, mit Kieswegen, die sich in der Mitte trafen, um einen kleinen Springbrunnen zu umgeben, den man von der aus tropischen Hölzern gefertigten Gartengarnitur beobachten konnte. Linker Hand befand sich eine Gartenlaube sowie ein Gartenhäuschen, das eine um auch in der kühlen Jahreszeit den Garten zu geniessen, oder windgeschützt ein Buch lesen zu können, das andere, um die nötigen Werkzeuge aufzubewahren, die der Gärtner zur Pflege des Gartens brauchte. Vor dem Haus befanden sich Obstbäume, die jedes Jahr reichlich Früchte trugen, und auch jetzt schon erste Ansätze einer erneuten reichen Ernte zeigten.

Verwundert darüber, niemanden anzutreffen, machte Herr K. den ersten Schritt aus dem Haus, um besser erkennen zu können, ob vielleicht ein wenig weiter vom Haus weg ein Mensch zu sehen war. Nun packte ihn die Neugier, und da er noch immer der festen Überzeugung war, dass er sich das Ganze nicht eingebildet hatte, ging er weiter hinaus in Richtung der Obstbäume, um den Rufenden zu suchen.

Der Wind wehte doch stärker, als Herr K. angenommen hatte, und es fing ihn zu frieren an. Doch so leicht ließ er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, und er ging, den Morgenmantel eng um sich geschlungen bis inmitten der Obstbäume, wo er stehenblieb und erneut lauschte. Durch das Rauschen des Windes fiel es ihm schwer, mögliche andere Geräusche nicht zu überhören, und vom starren Blick in die Dunkelheit fingen ihm die Augen zu tränen an. So schloss er diese, und lauschte aufmerksam, wobei er nun schon am Sinn der Mühe, den Rufenden ausfindig zu machen, der wohl nicht gefunden werden wollte, zu zweifeln begann. Und als nun auch nach längerem Warten kein Laut mehr zu vernehmen war, entschloss sich Herr K. wieder zurück zum Haus zu gehen, da er nun stark zu frieren begann.

Doch um dem, der möglicherweise immer noch auf Herrn K. wartete, nachdem er ihn gerufen hatte zu zeigen, dass er sich im Garten befand, rief er in die Dunkelheit: “Hallo, da bin ich!“. „...da bin ich!“ antwortete das Echo. Doch klang es nicht so wie seine eigene Stimme, sondern wirkte auf ihn dumpf und fremd. Plötzlich fegte ein eisiger Windstoss auf Herrn K. zu, der ihn nach hinten warf, und er stolperte über etwas und fiel.

Ärgerlich stand er langsam wieder auf, einerseits durch die Müdigkeit, andererseits durch die Vorsicht, nicht noch einmal zu fallen. Er drehte sich noch immer zwischen den Bäumen stehend zu seinem Haus um. Und was er da sah, entsetzte ihn zutiefst. Alle Fensterläden des Hauses standen offen, und schlugen lautlos im Wind immer wieder auf und zu, die Haustüre stand offen, und wo zuvor ein Lichtschein das Vorzimmer beleuchtete war nun nur gähnende schwarze Leere, der Schlund des Hauses weit aufgerissen. Unfähig sich zu bewegen starrte Herr K. auf sein Haus, sein Leben, und auf einmal war alles anders: eine entsetzliche Leere breitete sich in ihm aus und alles war auf einmal so sinnlos.

Das Unglück des Herrn K. hatte begonnen.
Bearbeitet von am 09.06.2003, 15:26

Holger

Little Overclocker
Registered: Sep 2002
Location: Deutschland
Posts: 52
Prosa? Na das ist doch mal was neues, bin schonmal sehr gespannt, was dem Herrn K. so als Unglück wiederfährt.

Meine Idee wäre, das ein ewig langer Güterzug - so aus dem nichts -einfach durch sein Haus fährt. Das wäre wunderbar komisch.

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
Zitat von Holger
Prosa? Na das ist doch mal was neues, bin schonmal sehr gespannt, was dem Herrn K. so als Unglück wiederfährt.

Meine Idee wäre, das ein ewig langer Güterzug - so aus dem nichts -einfach durch sein Haus fährt. Das wäre wunderbar komisch.

Du bist einfach nicht aufmerksam, ist nicht die erste Prosa von mir, und auch nicht die erste hier.

Wenn einmal ein Güterzug durch dein Haus fährt, werde ich dich mit einer Geschcihte bedenken.

tombman

the only truth...
Avatar
Registered: Mar 2000
Location: Wien
Posts: 9496
[taktlos]
Teil 2 heißt dann wahrscheinlich: Herr K -- Hell on earth ;)
[/taktlos]

Fazit: gut ;)

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
mit K ist nicht zufällig "Knoll" gemeint? :p

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
Zitat von .deRElict.
mit K ist nicht zufällig "Knoll" gemeint? :p

Nicht wirklich, ich hab K. genommen, weil Kafkas Hauptdarsteller im Prozess auch Herr K. hiess.

Aber ich glaub es findet sich zu jedem Buchstaben ein passender Nachname... insofern.

OT: Jackz Bemühungen Smileys aus dem Lykeion zu entfernen sind wohl fehlgeschlagen so wies aussieht...

jAcKz

Legend
fool martyr
Avatar
Registered: Dec 2000
Location: cross
Posts: 21376
Zitat von Ece
Nicht wirklich, ich hab K. genommen, weil Kafkas Hauptdarsteller im Prozess auch Herr K. hiess.

ich weiß nicht, ob die affinität allgemein beabsichtigt ist, aber das scheint mir etwas ungelungen und epigonal.

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
Zitat von jAcKz
ich weiß nicht, ob die affinität allgemein beabsichtigt ist, aber das scheint mir etwas ungelungen und epigonal.

Wenn du die Affinität zu Kafka meinst, das betrifft nur den Namen, das restliche hat mit Kafka nicht wirklich was zu tun, es ist an eine Erzählung von Hans Lebert angelehnt, die auch der Ruf aus dem Dunkel heisst, und ich habe den Spannungsbogen sowie die Haupt-Handlungsstränge übernommen, weil ich von der Geschichte sehr fasziniert bin.

Ich habe sozusagen versucht, sie in die heutige Zeit zu übertragen.

Holger

Little Overclocker
Registered: Sep 2002
Location: Deutschland
Posts: 52
Zitat von jAcKz
ich weiß nicht, ob die affinität allgemein beabsichtigt ist, aber das scheint mir etwas ungelungen und epigonal.

Und mir scheint die Benutzung des Wort "epigonal" als Bewertung einer marginalen - wenn auch augenscheinlichen - Anspielung in der Geschichte leicht übertrieben. Vermutlich wurde hier vorschnell geurteilt.

jAcKz

Legend
fool martyr
Avatar
Registered: Dec 2000
Location: cross
Posts: 21376
vielleicht, ich habs nur einmal gelesen, aber der marginale name führte mich zu einem ähnlichen eindruck bezüglich der methode, szenerie usw. daher meine bewertung.

Guest

Deleted User
Registered: n/a
Location:
Posts: n/a
Nun ja, eigentlich wollte ich die Geschichte ja die Erkenntnis des Herrn K. nennen, da ích aber viel aus dem Original übernommen habe (natürlich nicht wörtlich), habe ich mich dann doch für den alten Titel entschieden.

Wer Kafka kennt wird aber mekren, dass Kafka mit dem sogenannten Horror oder den unheimlichen Geschichten wie sie dieser Autor schreibt nichts gemein hat.

Das sogenannte kafkaeske ist subtiler und fantastischer zugleich. Vor allem bei Kafkas Kurzgeschichten sehr gut zu sehen.
Kontakt | Unser Forum | Über overclockers.at | Impressum | Datenschutz