Aliens landen in einem der übelsten Blocks von London. Was folgt ist ein erbitterter Kampf zwischen einer Jugendbande und den außerirdischen Angreifern. Inszeniert wird das SciFi/Gangster-Mashup Attack the Block von Joe Cornish, der hiermit sein Erstlingswerk abliefert. Macht euch bereit für ein Sozialdrama der etwas anderen Art - und zwar in Form einer Alienjagd!
Moses (John Boyega) und seine Freunde Pest, Dennis, Jerome und Biggz (gespielt von Alex Esmail, Franz Drameh, Leeon Jones und Simon Howard) wollen mal wieder ihr Taschengeld aufbessern – statt den Rasen zu mähen oder die Zeitung auszutragen, überfallen sie aber lieber Leute. Während der Guy Fawkes-Nacht treibt sich die Jugendbande auf den Straßen nahe ihres Blocks herum, wo sie Sam (Jodie Whittaker) antreffen. Mit gezücktem Messer erleichtern sie ihr neuestes Opfer um die Brieftasche, das Handy und den Ring an ihrem Finger. Der nächtliche Raubüberfall wird allerdings von einem unerwarteten Knall unterbrochen; quasi neben den dramatischen Szenen schlägt ein Meteor in ein Auto am Straßenrand ein. Sam ergreift die Chance und flüchtet vor ihren Angreifern, die ebenfalls die Situation auf ihre Art ausnützen wollen, schließlich müssen sie den Wagen jetzt nicht mehr aufbrechen. Statt extra Beute springt Moses jedoch eine aggressive Kreatur ins Gesicht, wo sie einen fiesen Kratzer hinterlässt. Erst nachdem das Messer einen tiefen Stich hinterlässt, lässt das unbekannte Wesen vom Nachwuchs-Gangster ab. Nicht nur dessen Wange, sondern auch der Stolz haben einen Kratzer abbekommen. Darum nehmen die Jungs die Fährte des angeschlagenen Aliens auf, der für sein Verhalten bezahlen soll. Als sie ihre extraterrestrische Beute in die Enge getrieben haben, fackelt Moses nicht lange und schlägt zu.
Ghettokinder VS Aliens - 1:0
Was wahrscheinlich der erste Außerirdische auf unseren Planeten war, wurde also von ein paar Getto-Kindern aus Süd London in Street-Credibility umgewandelt. So weit, so gut! Mit der Leiche als Trophäe zieht die Bande nun weiter zu Hi-Hatz (Jumayn Hunter), dem Chef des Blocks. Die Beute soll dort sicher sein und kein Ort ist besser geschützt als die kleine Hanfplantage in der Wohnung des Drogenbarons. Moses ist übrigens einer seiner Laufburschen, der für ihn brav Gras verkauft und diese Nacht zum ersten Mal Kokain in Geld umwandeln soll. Wie auch immer, währenddessen sitzen Ron (Nick Frost, bekannt aus Shaun of the Dead) und Brewis (Luke Treadaway) mit dem Rest der Gang im Wohnzimmer und gönnen sich ein paar Joints. Während die beiden Kiffer vollgedröhnt eine Natur-Doku über Motten schauen, regnen nach und nach mehr Himmelskörper in die direkte Umgebung der Wohnhaussiedlung nieder. Voller Vorfreude und vom Jagdfieber gepackt, bewaffnen sich die Jugendlichen und suchen nach den Absturzstellen. Doch was sie finden, hat mit dem kleinen Biest von vorhin nur noch wenig zu tun. Plötzlich stehen echte Monster vor ihnen – schwarz wie die Nacht und mit leuchtenden Reißzähne. Die Jagdwaffen dienen nun zur Selbstverteidigung und statt auf das wütende Alien zu, laufen und fahren sie vor ihm weg. Leider führt ihre Fluchtroute sie genau vor die Polizei, von der Moses ausgebremst und festgenommen wird. Im Polizeiwagen sitzt nämlich Sam, die ihn eindeutig als ihren Angreifer identifizieren kann. Egal ob in Handschellen oder nicht – im Einsatzwagen ist es zumindest halbwegs sicher vor den Monstern. Das bekommen auch die Polizisten zu spüren, die von den pechschwarzen Kreaturen blitzschnell angegriffen und getötet werden. Mit Feuerwerkskörpern können die zwei blutrünstigen Wesen kurz abgelenkt werden – genug Zeit, um zu Moses und Sam zur Hilfe zu kommen und das Polizeiauto zu stehlen. Bei der Flucht kommt es zu einem Frontalzusammenstoß mit einem teuren Auto, in dem leider Hi-Hatz sitzt. Dieser steigt mit gezogener Waffe aus und glaubt kein Wort von der Geschichte, die die Jungs ihm da auftischen. Erst als sein Beifahrer zerfleischt wird, schenkt er dem Gestammel über Aliens zumindest ein bisschen Beachtung. Damit ist Moses aber noch nicht von der Leine, denn dieser hat nicht nur seinen schönen Wagen auf dem Gewissen, sondern auch Drogen im Wert von 300 Pfund an die Polizei verloren und zu allem Überfluss auch noch außerirdische Monster in seinen Block gebracht. Damit gesellt sich zu den furchteinflössenden Aliens also auch noch ein wütender Krimineller, der den Jungen durch den Film jagt.
So haben sich die Jungs ihren Abend sicher nicht vorgestellt!
England? Gangland!
„Ich muss euch enttäuschen.“, sagte Regisseur Joe Cornish bei der Premiere im Filmcasino Wien im Rahmen des Slash Film Festivals. „Dieser Film ist keine Fortsetzung, kein Reboot, wurde nicht digital aufgenommen und ist auch nicht in 3D.“ Attack the Block ist einfach nur Genrekino vom Feinsten, eine Hommage an die Abenteuerfilme aus den 80ern. Da geht es nicht um die Aliens an sich, sondern um das Verhältnis der Figuren zu der Bedrohung. Anfänglich ist die Gang noch maskiert, als sie Sam überfallen, aber im Laufe der Handlung nehmen sie die Tücher aus dem Gesicht, geben die Kapuzen runter und nehmen die Baseballkappen ab. Genau so beginnt man die einzelnen Charaktere nach und nach zu verstehen und zu schätzen. Keiner der Jungs ist ein „Comic Relief“, eine Witzfigur – jeder hat seine lustigen Einzeiler und schafft es trotzdem, eine ernstzunehmende und vor allem realistische Figur zu bleiben. Wo wir gerade bei Figuren sind – die Außerirdischen machen ebenfalls eine gute Erscheinung, ohne den wahren (menschlichen) Hauptdarstellern die Show zu klauen. Inspiriert wurde das Aussehen von der schwarzen Katze von Cornish, welche in der Dunkelheit manchmal fast zweidimensional wirkte. Die Silhouette der Aliens ist ebenfalls prägend, da deren Fell das Licht regelrecht absorbiert. Alles was übrig bleibt, ist ein Umriss und die blau glühenden Zähne. Erfreulich ist, dass diese Monster nicht überinszeniert, sondern als die Gewalt der Natur dargestellt werden, die schlicht und ergreifend auf unseren Planeten gekommen ist. Circa so wie eine Katastrophe bei Sim City.
Ebenfalls eine eher geheime Hauptrolle spielt der Block, in dem das intergalaktische Katz-und-Maus-Spiel stattfindet. Der Block ist grau und karg, der rechte Winkel dominiert das Bild und der Anstrich aus vergangenen Tage bröckelt den Zuschauern entgegen. Während in den Wohnungen selbst noch so etwas wie Individualität und Wärme zu finden sind, sieht auf den Gängen alles gleich aus und manche Orte erkennt man nur wieder, weil sie einfach zu hässlich sind. Wenn wir an England oder spezifisch London denken, haben wir Bilder vom Buckingham Palace vor Augen, in dem die Queen, Prinz Charles und Prinz Harry sitzen und ihren 5 Uhr Tee trinken, bevor es ab zum Polo geht (die Queen kann das richtig gut!). Erst in jüngster Vergangenheit sind wir daran erinnert worden, dass nicht das gesamte Vereinigte Königreich aus Kronadel mit gehobenen Manieren besteht. Die Krawalle in London haben ein anderes Gesicht des Inselstaates gezeigt, das vielen Außenstehenden gerne verborgen bleibt. Hohe Arbeitslosigkeit, Jugendschwangerschaften und Kriminalität zählen in Teilen der Hauptstadt als normal. Früher gab es Arbeiterviertel, in die man keinen Fuß setzen sollte, heute wurden die Backsteinhäuser abgerissen und durch Betonriesen ersetzt. In Attack the Block sehen wir die dunkle Seite Großbritanniens gekonnt inszeniert. Denn statt Trostlosigkeit verweisen viele Kameraeinstellungen auf die Symmetrie der tristen Architektur der Heygate Estate in Southwark, London. Wenn es zur Action kommt, wird die Umgebung in den rasanten Szenen gleichermaßen zum Freund und zum Feind der Jungs – der Heimvorteil funktioniert eben nur bis zu einem gewissen Grad.
Der Drehplatz: Die Heygate Estate in Süd London.
Erstlingswerk
Attack the Block kann uns auf ganzer Linie beeindrucken. Tolle Regie, realistische Charaktere, schnelle Action und gut angebrachter Humor. Das alles ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass es für viele Beteiligten der erste große Film ist. Zwar hat Joe Cornish bereits mehrere Serien im britischen Fernsehen produziert und gedreht, aber dennoch handelt es sich hierbei um sein Erstlingswerk auf der großen Leinwand. Ohne den Konventionen von anderen Filmemachern schafft er es, einen durchwegs spannenden und clever gedrehten Film abzuliefern. Auch bei den Schauspielern ist es für viele die erste große Produktion. So hatte John Boyega (Moses) davor nur eine Nebenrolle in einem Theaterstück in London – jetzt spielt er die Hauptrolle in einer Serie über das Leben von Boxer Mike Tyson, die von Spike Lee verfilmt wird. Auch der Rest der Gang ist das erste Mal vor der Kamera, was man jedoch nicht im Geringsten bemerkt. Erfahrene Teile des Casts wie Jodie Whittaker (Sam) oder Luke Treadaway (Brewis) sind nicht zu bekannt, um als „Star Bonus“ zu gelten. Nick Frost (Ron) ist der einzige Teil der Besetzung, den Freunde des Genre-Kinos wohl kennen werden. Dieser hält sich jedoch angenehm zurück und stiehlt als Nebenrolle somit niemandem das Rampenlicht. Für den Soundtrack konnte niemand Geringeres als Basement Jaxx gewonnen werden, die zusammen mit Steven Prince (der schon für die Musik bei Scott Pilgrim VS the World verantwortlich war) eine mehr als passende musikalische Untermalung produziert haben. Harter Grime, nervöser Dubstep und bombige House-Beats unterstreichen den urbanen Ton des Filmes. Jeden einzelnen Song könnte man auf dem gestohlenen iPod der Jungs wieder finden.
Der deutsche Trailer zu diesem grandiosen Film.
Fazit
Wer Lust auf einen Film mit einem erfrischend unvorbelasteten Ansatz hat, wird mit Attack the Block seine helle Freude haben. Man darf sich keine Fortsetzung zu Shaun of the Dead oder Hot Fuzz erwarten, schließlich ist der Film ja nicht von Edgar Wright. Für Freunde von Aliens, cleveren Charakteren und des englischen Humors ernennen wir den Film allerdings zum absoluten Muss!